Menschenskinder
Kreuzworträtselkästchen füllte, und kritzelte etwas von zur Erinnerung an die gemeinsam ertragene Fastenwoche oder so ähnlich ins Buch, klappte es zusammen und gab es zurück.
»Danke«, sagte Püppi, und »ich habe sogar noch ein zweites von Ihnen gekauft, aber da müssen Sie nichts reinschreiben.«
»Dafür bin ich Ihnen wirklich dankbar«, konnte ich mir nicht verkneifen, bevor sie das andere Buch hervorholte.
»Das ist nicht von mir!« Weder kannte ich das Umschlagbild noch den Titel, lediglich der Name kam mir bekannt vor, und davon auch nur die zweite Hälfte. »Friedhelm würde ich zwar den ausschließlich männlichen Vornamen zuordnen«, klärte ich Püppi auf, »aber von den Sanders gibt’s in jedem Großstadt-Telefonbuch mindestens zwei Spalten.«
»Ach, dann haben Sie das hier gar nicht geschrieben?«
»Nein.«
»Ich habe mich auch schon gewundert, weil es nämlich was mit Natur zu tun hat und mit chinesischer Heilkunst.«
»Davon habe ich nun wirklich keine Ahnung!« Die Chinesen haben bekanntlich das Papier erfunden, nicht aber den Computer. Sie werden schon gewusst haben, warum nicht. Das stundenlange Sitzen am Schreibtisch mit dem PC vor der Nase ist nicht gerade gesundheitsfördernd, und gerade die Chinesen legen doch so großen Wert auf körperliche Unversehrtheit. Inzwischen haben sie aber auch Computer und mit ziemlicher Sicherheit ein adäquates Mittel gegen Rückenschmerzen!
»Schade«, bedauerte Püppi, »ich interessiere mich nämlich sehr für Akupunktur und das alles und hatte geglaubt, Sie könnten mir einiges darüber erzählen.«
Bevor sie ihre wohl noch bescheidenen Kenntnisse der chinesischen Heilslehre ausführlicher definieren konnte, kam – nein, schwebte Conny mit ausgebreiteten Armen auf die Liegewiese. Eingehüllt in ein grünliches Gewand aus Musselin oder einem ähnlich leichten Stoff mit Streublümchen drauf und einem Volant in der Wadengegend hüpfte sie auf Zehenspitzen durch das frischgemähte Gras. Die Haare, tagsüber meistens mit einem Gummiband zusammengehalten, trug sie offen. »Ich bin ein Hippie-Flower-Power-Kind …«
»Ich hab ihr gleich gesagt, sie soll ihr Bunker-Müsli von gestern ins Klo kippen«, grummelte Moni vor sich hin, »das hat vorhin schon so komisch gerochen. Bestimmt war es gegoren.«
»… Flower-Power-Kind«, trällerte Conny weiter, »und wer auch eins werden will, muss sich das passende Outfit holen!«
»Die is nich high, die spinnt bloß!«, diagnostizierte Lilo den gegenwärtigen Zustand ihrer Freundin. »Is ja auch kein Wunder nach fast einer Woche Weiberknast bei unzulänglicher Ernährung und täglicher Folter in den rosa Zellen!«
»Wo hast du den Fummel überhaupt her?« Diese formlosen, bis zur Wade reichenden Kleider gehörten doch in die sechziger Jahre zu Woodstock, Bob Marley, LSD und
We Don’t Need No Satisfaction?
Doch bevor Conny antworten konnte, kam schon das zweite Blumenkind angetänzelt, ein etwas spätes zwar, aber nicht weniger stilecht mit einem braunen Sack bekleidet, der bis auf die Füße reichte und nur drei Löcher für Kopf und Arme hatte. Dafür kamen auf diesem schlichten Gewand die vielen Ketten aus Holz- und Glaskugeln zur Geltung. Nur Renates gepflegter Kurzhaarschnitt passte nicht ganz dazu, zur Hippie-Zeit trug man die Haare lang und ungewaschen.
Ich kam mir vor wie im falschen Film, und erst als Amelie mit der jungen talentierten Modeschöpferin von Anfang Vierzig aus dem Haus kam, wurde mir alles klar. Auch das kreative Talent trug knöchellang, allerdings aus Seide, und da sah die ganze Sache schon wesentlich besser aus.
»Guten Tag allerseits«, sagte das Talent und grüßte mit leicht erhobener Hand, eine Geste, die es Lieschen König abgeguckt haben musste, wenn die sich aus gegebenem Anlass mal wieder ihren Untertanen zeigt. »Sicher haben Sie sich über die beiden Kleider aus einer längst vergangenen Epoche gewundert, und obwohl sie schon über dreißig Jahre zurückliegt, kehren einzelne Elemente dieser unbeschwerten Mode immer wieder in den ständig wechselnden Trends zurück. Auch ich habe versucht, eine Brücke zwischen der damaligen und der heutigen Zeit zu schlagen, doch ob mir das gelungen ist, müssen Sie selber beurteilen. Eine Auswahl meiner Modelle finden Sie im Salon.«
»Also bitte, meine Damen, nur Mut!«, ermunterte uns Amelie, bevor sie hinter ihrem Gast ins Haus zurückging.
Um es kurz zu machen: Die Resultate von Madame Angelines Brückenschlag konnten sich sehen
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