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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hat.«
    Um eventuellen Rückfragen und übertriebenem Optimismus vorzubeugen: Diese ganze Prozedur hat im Grunde genommen nichts anderes gebracht als die Erkenntnis, dass man – verurteilt zu absoluter Bewegungslosigkeit – mal wieder sein Gedächtnis trainieren kann. Schillers Glocke habe ich zwar nicht mehr vollständig zusammengebracht, wir haben seinerzeit die Balladen unserer klassischen Geistesheroen nämlich noch seitenweise auswendig lernen müssen, aber den Taucher kann ich noch, die Bürgschaft und natürlich den König Erl. Vielleicht hätte ich auch noch die Kraniche des Ibykus geschafft, aber da war das dritte Body-Wrapping vorbei gewesen, und ein viertes ist normalerweise nicht vorgesehen.
    »Die Kleider sind gerade gekommen!« Rosemarie, wieder mal auf Wickeltour durch den Park, hatte ihre Runde kurzfristig unterbrochen, um ihr Taschenfläschchen mit einer weiteren Portion Tee – diesmal war’s Kamille – aufzufüllen. »Ich glaube aber nicht, dass für mich etwas dabei ist.«
    Amelie hatte gestern während des Abendessens den ›lieben Damen‹ mitgeteilt, dass eine ihr bekannte und äußerst talentierte junge Modeschöpferin sich entgegenkommenderweise bereit erklärt habe, ihre Kreationen vorzuführen beziehungsweise zum Verkauf anzubieten. Wer Interesse habe, könne sich gegen fünfzehn Uhr im Salon einfinden.
    Interesse hatten wir natürlich, Zeit auch, weil wir alle auf die Fußpflegerin warteten, die von außerhalb kommen sollte und längst überfällig war. Bis sie uns der Reihe nach abgefertigt hätte, würden Stunden vergehen. Das halbe Unterhaus hatte sich zwar gleich nach dem delikaten ›Bunten Gemüseteller‹ – von Steffi als »Ikebana auf m Teller« bezeichnet – zu einem Bummel durch die knapp sechshundert Meter lange Fußgängerzone entschlossen, vermutlich mit Endstation
Bei Angelo
und seinen Eisbechern, doch zur Modenschau wollten die Vergnügungssüchtigen auf jeden Fall zurück sein.
    Waren sie auch. Tantchen Kabeljau hatte sich in der ortsansässigen Apotheke mit Sonnencreme eingedeckt, Nichte Roswitha trug einen Schuhkarton. Wie jemand, der in Hamburg wohnt und unendlich viele Geschäfte quasi vor der Haustür hat, in einem kleinen Provinzstädtchen Schuhe kaufen kann, ist mir ein Rätsel, doch an Roswitha war vieles rätselhaft.
    Ich hatte mal eine Viertelstunde lang mit ihr zusammen in der Sauna gesessen und dabei gemerkt, dass sie keineswegs so unbedarft war, wie sie sich gab. Sie schien im Gegenteil eine gehörige Portion Humor zu besitzen und konnte ganz schön sarkastisch werden.
    Püppi kam auf mich zugeschossen, in jeder Hand eine Tüte. »Ich habe sogar ein Buch von Ihnen gekauft!«
    Irgendwie war mein ›Doppelleben‹ durchgesickert, wahrscheinlich durch Renate und das vermeintlich nur geliehene Geburtstagsgeschenk, aber da mich niemand vom Unterhaus auf mein Pseudonym angesprochen hatte, schien auch niemand meine Bücher zu kennen, und darüber war ich heilfroh. Anderenfalls hätte ich mich vermutlich nicht mehr so unbefangen bewegen können, und vor allem Steffi wäre die Leidtragende gewesen. »Stört es Sie denn nicht, wenn Sie sich in den Büchern Ihrer Mutter immer wieder finden? Stimmt es wirklich, dass Sie als Kind nur Lederhosen getragen haben?« usw. Sie kennt das zwar, steht auch geduldig Rede und Antwort, aber dass ihr die immer gleichen Fragen inzwischen zum Halse heraushängen, kann wohl jeder nachempfinden.
    Nun hatte also ausgerechnet Püppi eins meiner Bücher gekauft, stand erwartungsvoll vor mir und erwartete eine entsprechende Reaktion. Vielleicht Dankbarkeit?
    »Hoffentlich wird es Ihnen gefallen. Welchen Titel haben Sie denn ausgesucht?«
    »Da muss ich erst mal nachsehen.« Sie zog das Taschenbuch aus der Tüte. »Werden sie denn nie erwachsen?«, las sie vor. »Ist das was zum Lachen?«
    »Das hatte ich zumindest beabsichtigt«, gab ich zu. »Soll ich Ihnen etwas hineinschreiben?«
    Nun schien sie in ernsthafte Schwierigkeiten zu kommen. Zweifelnd drehte sie das noch so neu glänzende Buch in den Händen und besah es von allen Seiten, dann gab sie sich einen Ruck und hielt es mir entgegen. »Na ja, das dürfen Sie!«
    Da ist mir dann wirklich nichts mehr eingefallen! Dass mir jemand ausdrücklich gestattete, nicht nur meinen Namen, sondern eine persönliche Widmung in ein Buch zu schreiben, hatte ich bis dahin noch nicht erlebt, doch man lernt ja immer wieder dazu. So lieh ich mir von Lilo den Kugelschreiber, mit dem sie unermüdlich

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