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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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lassen. Zwar war sie kein einziges Kleid losgeworden, doch das hatte hauptsächlich daran gelegen, dass ihre Kreationen bei Konfektionsgröße 40 endeten. Da passte außer Conny keine von uns mehr rein, und der waren alle Kleider zu kurz. »Selbstverständlich wird jedes gewünschte Modell nach Ihren Maßen angefertigt und zugeschickt«, beteuerte Madame, Tantchen ein stahlblaues Kleid vor den recht ausgeprägten Busen haltend.
    »Das ist eine kalte Farbe, Tante Hilde«, protestierte Roswitha, »die steht dir nicht.«
    »Aber wer sagt denn das?« Madame griff zu einer Federboa und schlang sie Tantchen um den Hals. »Auf die Accessoires kommt es an.«
    »Na, ich weiß nicht«, murmelte Steffi, »jetzt sieht sie aus wie ein Masthuhn in der Mauser.«
    Wir prusteten los, doch Madame zeigte sich unbeeindruckt, zumal sich Tantchen nach längerem Zögern Maß nehmen ließ, »aber nur, wenn ich das Kleid in Lavendel bekommen kann.«
    Selbstverständlich sei das möglich, bestätigte Madame.
    »Und ohne diesen Mottenfiffi, so was hat meine Großmutter vor dem Ersten Weltkrieg getragen.«
    Nun ja, das sei Geschmacksache, stimmte Madame zu, eine lange Perlenkette zum Beispiel würde den gleichen Zweck erfüllen.
    Püppi hatte sich erst für einen weißen Blazer mit goldenen Applikationen interessiert, war dann zu dem kleinen Schwarzen übergewechselt, das aber gar kein Kleid war, sondern ein Unterrock, und war schließlich bei einem tomatenroten Kaminkleid hängen geblieben. »Davon hätte ich gern fünf Stück in Größe 44 und 46.« Sie nahm das allgemeine Erstaunen milde lächelnd zur Kenntnis. »Natürlich nicht für mich, ich trage 38/40, sondern für meine Boutique.«
    »Ach, dann sind wir quasi Kolleginnen?«, freute sich Madame. »Wo befindet sich denn Ihr Geschäft?«
    »In Frankfurt«, sagte Püppi, »in einer sehr günstigen Lage, nur ein paar hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt. Und fast nur Stammkundschaft.«
    »Na, logisch, alle aus dem Rotlichtviertel«, flüsterte Rosemarie, die ebenfalls in der Gegend von Frankfurt wohnte, »das beginnt doch gleich hinter dem Bahnhof.«
    Gern hätten wir noch ein bisschen gestöbert und anprobiert, doch Punkt achtzehn Uhr beendete Amelie die Modenschau. »Frau Harmsen und Frau Waible bitte zur Pediküre, wir haben doch noch eine zweite Fußpflegerin bekommen, und die anderen Damen denken bitte daran, dass Sie ab zwanzig Uhr Kirsten beraten wird, die Starfriseurin aus dem Salon Pour Vous.«
    Richtig, die fehlte ja noch. Wir hatten im Laufe der Woche erfahren, ob wir ein kalter oder ein warmer Typ sind, danach hatten wir gelernt, mit welchen Farben wir uns richtig schminken (Ich habe mir zwar den ganzen Krempel gekauft, bin jedoch nie so richtig damit klargekommen! Steffi übrigens auch nicht, aber bei ihr sehen die Selbstversuche immer noch wesentlich besser aus als bei mir …), und nun wird uns Kirsten heute Abend erzählen, dass und weshalb wir alle die falsche Frisur haben. Roswitha hält allerdings große Stücke auf sie. »Sie modelt einen nicht um«, hatte sie mir in der Sauna erzählt, »aber sie macht das Optimale aus dem, was da ist. Und das ist manchmal verdammt wenig, dafür bin ich das beste Beispiel.«
    Wieder versammelten wir uns im Salon, und wieder stand mitten im Raum der Schminktisch mit dem großen Spiegel und dem Sesselchen davor, nur herrschte diesmal eine wesentlich gelockertere Atmosphäre. Mehr oder weniger kannten wir uns jetzt alle (meist allerdings weniger, denn die unsichtbare Schranke zwischen Ober- und Unterhaus bestand nach wie vor), und dank Lilo, für die Diskretion ein Fremdwort ist, wussten wir nun auch das Geheimnis jener schweigsamen Dame mit dem Walkman am Ohr. »Die will sich nämlich die Qualmerei abgewöhnen«, hatte uns Lilo verraten, ausgerechnet sie, die angeblich noch nie eine Zigarette angerührt und folglich auch keine Ahnung von den Qualen hatte, denen ein ›Raucher auf Entzug‹ ausgesetzt ist.
    »Und wie soll das funktionieren? Etwa durch Hypnose per Kassette?« Ein paar halbherzige Versuche hatte ich ja auch schon hinter mir, meistens nach einer saftigen Erkältung mit Halsschmerzen und Fieber, doch sobald es mir besser ging, war ich wieder rückfällig geworden, was meine Familie sogar noch mit sichtlichem Aufatmen zur Kenntnis genommen hatte. »Wenn die Zigarette wieder schmeckt, hat sie das Schlimmste überstanden!«
    »So richtig habe ich das sowieso nicht kapiert«, hatte Lilo gesagt, »aber wenn sie sich eine

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