Menschenskinder
Zigarette anstecken will, muss sie erst die Kopfhörer aufsetzen und auf den Knopf drücken, dann kommt ganz fürchterliche Musik, und wenn sie das lange genug macht, wird sie jedes Mal, sobald sie zur Zigarette greift, an diese Musik erinnert und lässt es bleiben.«
»Das scheint aber eine Methode mit Langzeiteffekt zu sein.« Ich deutete unauffällig zu der potenziellen Abstinenzlerin, die sich gerade wieder die Kopfhörer aufsetzte, bevor sie Zigaretten und Feuerzeug hervorholte. »Sie befindet sich ja immer noch in der Anfangsphase, nämlich grauenvolle Musik und Nikotin.«
Da kann sowieso irgendwas nicht stimmen! Weshalb gibt es denn neuerdings wieder so viele jugendliche Raucher, obwohl jahrelang gerade bei Teenys die Qualmerei verpönt gewesen ist? Ob sich vielleicht Hard Rock und Technomusik nur dauerhaft ertragen lassen, wenn man zwischendurch eine kurze Zigarettenpause einlegt? Immerhin habe ich durch einige Jahrzehnte den wechselnden Musik-Geschmack meiner Nachkommen verfolgen und über mich ergehen lassen müssen, angefangen bei
Alle meine Entchen
… über Vader Abraham und die Schlümpfe bis zu Major Tom und Madonna, aber zum Rauchen hätten die mich bestimmt nicht animiert. Wenn ich allerdings an die Geräusche denke, die heutzutage aus voll aufgedrehten Stereo-Anlagen dröhnen, dann bin ich mir nicht mehr so sicher. Zum Glück muss ich mir dieses SynkopenGehämmere ja nicht mehr anhören, ich stehe nämlich mehr auf Chopin, Tschaikowsky und zwischendurch auch mal Glenn Miller und Frank Sinatra. Bloß bei denen gewöhnt man sich das Rauchen bestimmt nicht ab!
Zurück zu unserem Frisuren-Abend und zu Kirsten, der Starfriseurin aus der nächstgelegenen Großstadt, die ja gar nicht sooo groß ist und trotzdem einen über die Stadtmauern hinaus bekannten Frisiersalon (pardon, natürlich CoiffeurSalon!) hat. Im Übrigen war Kirsten selbst das beste Model für ihre Fähigkeiten, denn ihre schicke Kurzhaarfrisur erweckte nicht nur bei Steffi Neid. »Da sitzt jedes Härchen, und trotzdem sieht das Ganze aus wie bloß mal mit den Händen durchgefahren.«
»So weit kommt’s noch«, protestierte die ergraute Dame aus dem Unterhaus, »wozu bezahle ich denn alle zwei Wochen achtzig Mark, wenn man hinterher nichts davon sehen würde?«
Das allerdings war schwer vorstellbar, denn sie trug niedliche kleine Kringellöckchen, die mich immer an dieses Kräuselband erinnerten, mit dem Floristen so gern die ZellophanUmhüllung der Blumensträuße zubinden.
Steffi war auch die Erste, die sich auf das goldene Stühlchen setzte und interessiert zusah, wie ihr Kirsten kreuz und quer durch die noch vor zwei Stunden sorgfältig geföhnte Frisur fuhr. »Sie haben wunderbar dichtes, kräftiges Haar«, meinte sie, »nur sollten Sie der Farbe ein paar Glanzlichter geben.«
»Tönen kommt nicht in Frage!«
»Du lieber Himmel, nein! Was ich meine, wären einige Strähnchen in Ihrer natürlichen Haarfarbe, nur eben ein paar Nuancen heller. Außerdem sollten wir hier an der Seite etwas kürzen« – sie zupfte ein bisschen Haar hinters Ohr -»und dann natürlich am Hinterkopf auspointen.«
Steffi nickte begeistert, obwohl sie keine Ahnung hatte, was auspointen eigentlich bedeutete (ich aber auch nicht!), erklärte sich mit allem einverstanden, was Kirsten vorgeschlagen hatte und wurde zu dem Tisch gleich neben der Tür geschickt, wo Kirstens Gehilfin saß und alles notierte, was ihre Herrin gesagt hatte.
Die nächste Kandidatin war Conny. »Bei mir verzweifeln alle Friseure«, sagte sie sofort, »ich habe zu dünnes Haar und zu wenig, dazu noch das falsche Gesicht, und überhaupt hält bei mir keine Frisur länger als anderthalb Tage.«
»Das gibt’s gar nicht!« Kirsten prüfte Haaransatz und Struktur, empfahl einen anderen, vor allem moderneren Schnitt, ein Auspointen des Hinterkopfes sowie eine Kürzung der Headline, und als Conny zustimmend nickte, wurde auch sie an das Tischchen zu Manuela beordert.
»Sie müssen sich mir gegenüber zu nichts verpflichtet fühlen«, erklärte Kirsten mit einem Blick in die Runde, »ich mache lediglich Vorschläge, die Sie Ihrem Friseur weitergeben können, sofern Sie das möchten. Wer jedoch von mir einen Haarschnitt haben möchte, der sollte sich den morgigen Abend frei halten, weil ich dann noch einmal herkommen würde.«
Bis auf zwei Damen vom Unterhaus, die »leider schon anders disponiert« hatten, meldeten wir uns alle zur Verschönerung an. Bei mir musste nämlich auch am
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