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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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muss es ja wissen.
    »Na, dann ist ja alles klar«, beendete Lilo ihre Ansprache, »gleiche Zeit, gleicher Ort, aber erst im übernächsten Jahr. Prost!«
    Wir hoben unsere Becher und tranken auf das geplante Wiedersehen. Danach auf einen hoffentlich amüsanten letzten Abend. Und auf die neuen Frisuren. Conny meinte, wir müssten noch auf das bevorstehende Gala-Diner trinken, damit es möglichst schnell vorübergehe.
    Das fanden wir auch, prosteten uns zu, und als sich endlich Rosemarie zu Wort meldete und mit uns Brüderschaft trinken wollte, war die Flasche leer und wir alle in hervorragender Stimmung.
    »Dann nehmen wir eben den Sekt!« Lilo steuerte die Tür an. »Ich habe meine verlorene Pickelpastenwette schon kalt gestellt.«
    »Den gibt’s erst nachher«, entschied Renate, auf die Kaminuhr deutend, »jetzt gehen wir erst zu den fein gemachten Damen ins Unterhaus. Im Gleichschritt marsch!« Sie setzte sich an die Spitze, und wir trabten im Gänsemarsch hinter ihr her.
    Es muss für die bereits in ihrem Gemeinschaftsraum wartenden Unterhäusler ein merkwürdiger Anblick gewesen sein, als wir in unseren Bademänteln hereinmarschierten, freundlich nach allen Seiten nickten und uns nebeneinander auf dem großen Sofa niederließen.
    Allgemeines Schweigen. Frau Harmsen hüstelte, Roswitha grinste verhalten, Püppi musterte uns mit abschätzigem Blick und wandte sich wieder der neben ihr sitzenden Dame zu. Es war die mit den Kräuselband-Locken. Heute sahen sie allerdings mehr wie Papierschlangen aus. Verständlich, auch diese Dame wollte später von Kirsten verschönt werden.
    Leichtes Geplauder setzte ein. In der Sesselecke neben mir debattierte man den erstaunlich niedrigen Dollarkurs (› Da muss man doch wieder einmal nach Ell-Äi! Meine Tochter – sie lebt schon lange in Hollywood, müssen Sie wissen, beinahe Wand an Wand mit Kevin Costner – ruft jede Woche an und lädt mich ein«), während schräg hinter mir Literarisches erörtert wurde. »Nein, Frau Grebenhagen, diesen neuen Grass kann man einfach nicht mehr lesen. Ich glaube ohnehin, er zehrt jetzt vom Ruhm seiner frühen Jahre, obwohl ich das Geschrei um seine Bücher nie verstanden habe. Denken Sie nur einmal an die
Blechtrommel!
Streckenweise richtig degoutant, nicht wahr?« Ob sie wohl ihre Meinung inzwischen geändert hat??
    Endlich der Auftritt von Amelie, diesmal in apfelgrünem Röckchen und ebensolchem Top, neckisches kleines Schleifchen im Haar. »Guten Abend, meine Damen. Ich hoffe, Sie haben genügend Hunger mitgebracht.«
    Welche Frage! Den hatten wir doch immer.
    »Dann darf ich jetzt zu Tisch bitten.« Sie schritt voran, wir folgten nach dem Reißverschluss-System, das eigentlich auf Autobahnen und Vorfahrtstraßen praktiziert werden soll und mit Ausnahme von dort auch überall einwandfrei funktioniert.
    »Ach nein, wie entzückend, heute gibt es sogar Tischkarten«, freute sich eine Unterhäuslerin.
    »Und sogar gereimte«, staunte die Literaturbeflissene, »hören Sie nur: Wo sitz ich wohl, wird sie sich fragen. Natürlich bei mir, Frau Grebenhagen.«
    Eins muss man Amelie lassen: Hinten hat sich’s immer gereimt. Außerdem hatte sie uns so platziert, dass Ober- und Unterhaus bunt gemischt durcheinander saß, was aber auch nicht viel nützte, denn an einem runden Tisch kann man sich auch mal mit seinem Gegenüber unterhalten. Rechts neben mir hatte ich nämlich die Kringellöckchen sitzen (Niemand sieht ihr an das Alter, unserer munteren Frau Walther) und auf der anderen Seite die Dame mit dem Walkman; ihre Tischkarte hatte sie aber schon herumgedreht.
    Zuerst aßen wir Selleriesalat, danach Putengeschnetzeltes mit Reis und grünem Salat und zum Dessert Obstsalat – also ein komplettes Drei-Gänge-Salat-Menü. Dazu gab es – o Wunder – statt Kräutertee richtigen Wein. Weißen, und zwar solchen, der im Supermarkt als ›sehr lieblich‹ angepriesen wird.
    Wie immer passend die Tischdekoration. Zwei sauber geschrubbte Sellerieknollen mit Grünzeug oben dran, diverse frisch gewaschene Salatblättchen, verstreute Reiskörner und einzelne Früchte, letztere aus Plastik. Offenbar befürchtete Amelie, von den Originalen würde nichts übrig bleiben.
    Schon eine ganze Weile hatte ich beobachtet, wie Lilo die vor ihr liegende Sellerieknolle interessiert beäugt und schließlich in die Hand genommen hatte. »Kann mir mal jemand sagen, was das eigentlich ist?«
    »Soll das ein Witz sein?«, forschte Renate mit drohendem Unterton. »Wollen

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