Menschenskinder
schließt, damit ihre Mitarbeiter zu Hause essen können, zog Lilo ohne genauere Direktiven ab. »Ich werde mal zwanzig Zehnmarkscheine holen. Was übrig bleibt, wird ja nicht schlecht. Bis zum Euro ist es noch eine Weile hin.«
Allzu üppig würde der Blumenstrauß sowieso nicht werden, denn im Gegensatz zum voll besetzten Unterhaus waren wir hier oben nur sieben Bewohner, weil die angekündigten DreiTage-Gäste wegen Sommergrippe abgesagt hatten. »Umso besser«, hatte Steffi gemeint, »wer weiß, was da gekommen wäre!«
Erst zum mittäglichen Fischessen fanden wir uns wieder zusammen, von Lilo als ›panierte Gräten‹ bezeichnet, was jedoch nicht stimmte, denn die Tierchen waren gar nicht paniert. Dann wäre ja wenigstens ein bisschen was dran gewesen. Aber der Salat dazu war ausgezeichnet und der Pfirsich hinterher nur ein ganz kleines bisschen hart. Dafür würde es zum Abendessen etwas ganz Besonderes geben, versprach Gisela, während sie die Mineralwasser-Flaschen verteilte. Außerdem werde man die Henkersmahlzeit gemeinsam und in Anwesenheit von Frau Jonkers am großen runden Tisch einnehmen.
»Wieso Henkersmahlzeit«, rief Lilo quer durch den Raum, »gibt es denn morgen kein Frühstück mehr?«
»Sei nicht so verfressen«, zischelte Conny, »sechs Kilometer hinter der Autobahn-Auffahrt kommt ein McDonalds. Bis dahin wirst du es wohl aushalten können!«
Natürlich gebe es morgen noch Frühstück, sagte Gisela, nur gehe es da meistens schon etwas hektisch zu, manchmal seien bereits Abholer da, und deshalb finde der offizielle Abschied immer am letzten Abend statt.
»Na, das kann ja heiter werden«, prophezeite Conny auf dem Rückweg ins Oberhaus, »gemütliches Beisammensein bei Fencheltee und Small Talk über die Wirksamkeit von Kräuterbädern. Weiß jemand von euch, wann unsere Friseurin kommt?«
Moni wusste. »Erst nach Geschäftsschluss, also kann sie frühestens um halb acht hier sein. Ich frage mich nur, wann sie fertig sein will. Wenn ich gestern richtig gezählt habe, dann warten heute fünfzehn Kundinnen auf sie.«
»Sie wird ein Bataillon von Helfern mitbringen«, vermutete Lilo.
»Au ja«, freute sich Renate, »let’s have a party! Ich sehe gleich mal nach, ob genügend Sekt im Kühlschrank steht.«
Um halb vier hatte ich wunderschöne Hände mit zartrosa getönten Fingernägeln und um fünf meinen Pflegepass sowie eine zartrosa Lackpapiertüte mit zwei Döschen drin, neun Fläschchen unterschiedlicher Größe und einem Nail-Care-Set mit fünf Feilen. Ich breitete sie gerade auf meinem Bett aus, als Steffi ins Zimmer trat. »Ach, du auch???«
»Na ja, sie haben mich überzeugt.« Ich streckte ihr meine Hände entgegen. »So gepflegt haben die schon lange nicht mehr ausgesehen.«
»Du hast ja auch eine Woche lang nichts anderes getan, als dich pflegen zu lassen. Silk-Lotion auf dem Handrücken ist eben besser als Aufwischwasser mit Meister Proper drin.« Sie deutete auf die Tüte. »Und was hast du da noch?«
Ich kippte den Inhalt aufs Bett. »Nur zwei Cremes, ein Facefluid, eine Reinigungsmilch und sechs Ampullen von dieser fantastischen Erfrischungsmaske, also lediglich das, was ich ohnehin gebraucht hätte. Dabei habe ich mich noch zurückgehalten! Renate hat mindestens die doppelte Menge eingekauft.« Ich sammelte meine Schätze wieder ein und verstaute sie in der Kommode. »Und wie sieht’s bei dir aus? Bist du tatsächlich standhaft geblieben?«
»Natürlich nicht!« Sie öffnete den Kleiderschrank und zog aus dem oberen Fach eine zartrosa Lackpapiertüte heraus. »Das Nagel-Set habe ich natürlich auch gekauft, weil die Feilen viel schonender arbeiten als die üblichen aus Metall.« Die äugte in die Tüte. »Na ja, und dann noch ein bisschen Creme und Lotions und den Lippenbalsam, schon wegen der trockenen Luft bei uns in der Halle, jedenfalls im Winter, die Erfrischungsmaske habe ich auch mitgenommen … aber du hättest mal sehen sollen, was sich Rosemarie alles hat einpacken lassen! Dagegen bin ich direkt bescheiden gewesen.«
Keine Ahnung, weshalb wir uns gegenseitig für unsere Einkäufe entschuldigten. Passiert nämlich nie, wenn wir zusammen auf Shoppingtour sind. Vielleicht liegt es daran, dass man Pullover und Schuhe einfach haben muss, weil man ja nicht nackt herumlaufen kann, das ist nämlich verboten; Kosmetika dagegen sind nicht lebensnotwendig, sondern in erster Linie teuer, und deshalb wäre es in jedem Fall familienfreundlicher, für dieses Geld Heizöl
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