Menschenskinder
zu kaufen oder Energiesparlampen, dann hätten wenigstens alle was davon.
»Hast du schon mal in deinen Pflegepass geguckt?«
Nein, hatte ich noch nicht. Sibylle hatte ihn mir vorhin zwar gegeben, doch ich hatte ihn lediglich zu den anderen Sachen in die Tüte gesteckt. Jetzt zog ich das kleine – na, was wohl? rosa Büchlein aus der Tüte und schlug es auf. »Also habe ich doch Recht behalten! Amelie dichtet!« Vor der akkuraten Auflistung, was man ihm wann und weshalb auf Gesicht, Hals und Arme aufgetragen und einmassiert hatte, sollte den Gast wohl eine
Kleine Lebensphilosophie
von der Notwendigkeit dieser Prozeduren überzeugen. »Steffi, hör mal zu:
Innere Schönheit kann keiner nehmen,
Kosmetik allein auch nicht geben.
Beide zusammen ergeben ein Paar.
Dann freut man sich auch auf jedes weitere Lebensjahr. das ist doch sonnenklar.
Amelie Jonkers.«
leierte ich herunter. »Mal abgesehen von dem Versmaß, das nicht nur hinkt, sondern sich auf Krücken stützt, bestreite ich den Wahrheitsgehalt dieser Aussage. Auf mein neues Lebensjahr habe ich mich zum letzten Mal an meinem einundzwanzigsten Geburtstag gefreut, weil ich da volljährig geworden war und mir endlich einen Plattenspieler auf Abzahlung kaufen konnte.«
»Wieso erst mit einundzwanzig?«
»Wahrscheinlich haben sich erst in den siebziger Jahren die Hersteller von Autos, Motorrädern, Fernsehern und ähnlichen Konsumgütern Gedanken darüber gemacht, dass viele Jugendliche mit achtzehn Jahren zwar schon Geld verdienen, es aber noch nicht so ohne weiteres ausgeben dürfen, weil sie erst mit einundzwanzig volljährig werden. Diesen umsatzschädigenden Zustand konnte man nur ändern, indem man die potenziellen Kunden per Gesetz ein paar Jahre früher für geschäftsfähig erklärte. Dein Bruder hat übrigens dazugehört. An seinem achtzehnten Geburtstag hatte sich Sven zum Beweis seiner Volljährigkeit ein Luftdruckgewehr gekauft und damit nach Ansicht eures Vaters ein sichtbares Zeichen seiner geistigen Reife gesetzt!«
Steffi lachte. »Daran kann ich mich sogar noch erinnern. Auch, dass man ihm ein paar Wochen später das Ding aus’m Auto geklaut hat.«
Es klopfte, dann steckte Conny den Kopf durch die Tür. »Renate lässt fragen, ob wir uns nachher den Gepflogenheiten des Unterhauses anpassen oder unseren uniformen Modestil beibehalten sollen?«
»Letzteres natürlich!«, entschied Steffi sofort. »Nur weil Roundtable angesagt ist, müssen wir uns doch nicht verkleiden.«
»Stimmt eigentlich! Bevor Kirsten kommt, hätte ich mich sowieso wieder umgezogen. Abgeschnittene Haare in der Bluse kitzeln immer so entsetzlich.«
Gegen sechs fanden wir uns nacheinander im Kaminzimmer ein, als Letzte Lilo mit einer Flasche unterm Arm und sieben kleinen Plastikbechern in der Hand. »Die habe ich vom Wasserspender im Kurhaus geklaut.«
»Den Sherry auch?« Mit geübtem Blick hatte Renate schon von weitem den vermutlichen Inhalt der Flasche ausgemacht.
»Nee, da haben sie ja keinen. Der hier stammt aus’m Supermarkt. Ging ganz leicht!« Sie groß die Becher halb voll.
Entsetztes Schweigen. Dann die zaghafte Stimme von Moni: »Willst du etwa andeuten, du hast wirklich …«
»Quatsch, dazu bin ich doch viel zu dämlich! Ich trau mich ja nicht mal, ohne Fahrkarte drei Haltestellen weit mit dem Bus zu fahren.« Sie reichte die Becher herum, und als jeder seinen hatte, nahm sie den letzten und stellte sich in Positur. »Also, Leute, ich will jetzt keine Rede halten, sondern nur sagen, dass das hier eine ganz tolle Woche mit euch war und ich es schade fände, wenn wir jetzt einfach so auseinander gehen. Damit meine ich nicht euch drei« – ihr Blick streifte das Kölner Triumvirat – »wir sehen uns ja oft genug, sondern unsere beiden Schwaben und die aus dem Unterhaus zugewanderte Frau Eilert. Oder darf ich jetzt mal ganz einfach Rosemarie sagen?«
Zustimmendes Nicken der so Angesprochenen.
»Und deshalb finde ich, dass wir diese Schönheitswoche alle zusammen wiederholen sollten. Es muss ja nicht gleich in sechs Wochen sein, aber vielleicht nächstes Jahr? Oder übernächstes? Was haltet ihr davon?«
»Viel!«, sagte Steffi sofort. Erst dann sah sie zu mir herüber. »Oder was meinst du?«
Ich meinte dasselbe. Mir hatten die unbeschwerten Tage mit diesen leicht verrückten Hühnern ausnehmend gut gefallen, und dass ich nicht um einen Deut schöner geworden bin, lag sicher nur daran, dass man innere Schönheit nicht sieht. Sagt Amelie. Und die
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