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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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auch keinen, vielleicht nachher zum Abschluss, aber einen Kaffee hätte sie noch gern, und wie spät es eigentlich sei?
    Wohlweislich unterschlugen wir eine Stunde, sonst hätte sie vielleicht doch die Lust verloren, denn außer Roswitha, die schon unterm Wasserhahn hing, standen noch Rosemarie auf der Warteliste, Renate, Steffi und ich. Gerade in Arbeit war Püppi, die schon gestern lamentiert hatte, sie lasse keinen Zentimeter von ihren Haaren abschneiden, sie wolle nur etwas aufgehellt und geföhnt werden. Letzteres geschah soeben. Völlig falsch, wie sie immer wieder betonte, denn »oben müssen Sie die Bürste nach innen drehen und auf der linken Seite ganz leicht nach außen, aber nur kurz, und am Hinterkopf muss es füllig … geben Sie mal her!« Und schon hatte sie die Bürste in der Hand. Kirstin nahm sie ihr wieder weg. »Jetzt frisiere ich Sie so, wie wir das gestern besprochen haben. Was Sie nachher tun, ist Ihre Sache!«
    Um halb ein Uhr nachts waren wir alle fertig, eine Bezeichnung, die man so oder auch so auslegen kann. Drangekommen waren wir alle, doch jetzt war Kirsten regelrecht geschafft, müde, erschöpft. Mannela ebenfalls, statt mit Kaffee hatte sie sich mit Cola wach gehalten, nur zum Schluss hatte die auch nicht mehr geholfen. Na, und wir? Waren aufgedreht, überdreht, hatten die einzelnen Stadien der jeweiligen Verschönerung mit mehr oder weniger treffenden Kommentaren begleitet und hatten Kirsten zur Eröffnung eines Privatsalons in Heidelberg überreden wollen, für Kundschaft würden wir schon sorgen, denn ihren Job verstand sie wirklich! Steffi sah mit dem etwas asymmetrischen Haarschnitt blendend aus, Conny war kaum wieder zu erkennen, Roswitha wirkte völlig verändert, irgendwie selbstsicherer, und ich gefiel mir auch ganz gut. Ob das meine Friseurin zu Hause auch so hinkriegen würde? Auf jeden Fall würde ich die tolle Rundbürste mitnehmen und diesen Aufheller fürs Haar, beides nicht gerade preiswert, aber so ganz ohne Hilfsmittel kommt man eben nicht mehr aus.
    Die Bürste wollte Stefanie ebenfalls haben, auch das Shampoo und dann natürlich das Styling-Gel, ist ja viel geschmeidiger als das, was sie zu Hause hat. Und weil Renate natürlich auch die Bürste brauchte und die fantastische Tönung und das Gel und die Föhn-Lotion, kam Kirsten in ernsthafte Schwierigkeiten, so viel hatte sie nämlich gar nicht mit. »Ich schicke es Ihnen aber gerne zu.«
    »Mir bitte auch«, sagte Roswitha und gab eine Bestellung auf, für die jeder Vertreter dieser Branche ihr die Hand geküsst hätte. Fischfabriken scheinen eine zwar geruchsintensive, jedoch recht ergiebige Geldquelle zu sein. Und außerdem: pecunia non olet!
    Wir brachten Kirsten und ihre schon halb schlafende Gehilfin noch zum Auto, das direkt vor der Tür hatte parken dürfen, die wiederum fuhren Roswitha bis vor die Hintertür vom Unterhaus, und um zehn Minuten nach eins lagen Steffi und ich endlich im Bett.
    Ach ja: Was genau auspointen bedeutet, weiß ich noch immer nicht, weil ich vergessen hatte zu fragen. Im Duden steht’s nicht, es sei denn, in Coiffeur-Kreisen spricht man dieses Wort anders aus, als ich es gelernt habe, nämlich mit eu und nicht nasal. Es muss aber irgendwas mit ›hervorheben‹ oder so ähnlich zu tun haben. Als nämlich die tiziangerötete Frau Walther nach dem von ihr gewünschten Radikalschnitt einen zweiten Spiegel haben wollte, bekam sie ihn, aber ich hatte noch gehört, wie Kirsten gesagt hatte: »Wenn ich Ihnen jetzt zeige, wie die Geschichte von hinten aussieht, dann bedenken Sie bitte, dass das Haar nach dem Auspointen viel fülliger wirkt.«
    »Wenigstens werden wir uns diesmal nicht verfahren, Frankfurt ist immer ausgeschildert.« Ich kippte den Sitz etwas nach hinten und machte es mir bequem. Früher habe ich nie verstanden, weshalb sich viele Menschen von einem Chauffeur durch die Gegend fahren lassen statt es selber zu tun. Bei Politikern und Wirtschaftsbossen war das klar, die müssen ja unentwegt Wichtiges lesen oder mit wichtigen Leuten telefonieren und sich dabei auch noch fotografieren lassen, damit sie am nächsten Morgen im Auto nachlesen können, wie beschäftigt sie sind, aber ich hätte niemals freiwillig den Beifahrer gemacht, dazu fuhr ich selber viel zu gern. Jetzt ist es allerdings umgekehrt. Zu viel Verkehr, zu viele selbst ernannte Formel-Eins-Fahrer hinterm Steuer und jede Woche drei neue Baustellen.
    Kaum zwei Minuten hatten wir bis zur Autobahn gebraucht, dann hatte

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