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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Zeitunglesen zuzusehen.«
    »Früher hast du mitgelesen!«
    Ja, früher! Das war vor 151 Stunden gewesen, als noch die erste Zigarette nach dem Frühstück die beste des ganzen Tages gewesen war, aber jetzt …? Noch am letzten Bissen kauend stürzte ich neuerdings in die Küche, fütterte den Geschirrspüler oder leerte den Abfalleimer aus – Tätigkeiten, die nun wirklich nicht dringend waren. Ich durfte nur nicht sitzen bleiben, sondern musste mich beschäftigen, ganz egal, wie!
    Komisch, in der Firma oder daheim bei Steffi und Hannes hatte mir das längst nicht so viel ausgemacht, aber hier zu Hause? Da gab es niemanden, der mir moralisch den Rücken stärkte. Rolf versuchte zwar, sich nicht gerade in meiner Gegenwart eine Zigarette anzustecken, doch wenn ich ins Zimmer kam und diese kleine blaue Rauchfahne aus dem Aschenbecher hochsteigen sah, half nur noch eins: Sofortige Flucht! Trotzdem war ich entschlossen, diesmal durchzuhalten!
    Natürlich war ich noch am selben Tag zurückgefahren zu den unausgepackten Nikoläusen und Engeln, zu den Christbaumkugeln und dem künstlichen Schnee. Nachdem Rolf auf meine telefonische Anregung hin die schäumende Waschmaschine abgeschaltet hatte, war sie über Nacht ganz friedlich geworden, was vermutlich auf eine mir nicht erklärbare physikalische Reaktion zurückzuführen ist, jedenfalls war der Schaum morgens verschwunden gewesen, während die Tüllgardinen schon fast wieder ihren ursprünglichen Farbton angenommen hatten. Um meinen Ehemann von weiteren Aktivitäten in dieser Richtung abzuhalten, hatte ich ihm noch telefonisch empfohlen, die Waschmaschine samt Inhalt bis zu meiner endgültigen Rückkehr geschlossen zu halten. Ganz im Stillen hatte ich wohl gehofft, dieser Polyester-Albtraum würde sich auf irgendeine Weise auflösen und später auf Nimmerwiedersehen durch den Abflussschlauch verschwinden.
    Die Mikrowelle hatte ich auch wieder in Gang gebracht. Rolf hatte doch tatsächlich versucht, jene seit mindestens fünf Jahren defekte Lichterkette mit den kleinen bunten Birnen zu reparieren, praktischerweise in der Küche, weil da griffbereit so viele schöne Messer hängen. Beim ersten Probelauf war die Sicherung herausgesprungen und im selben Moment auch die Anzeigenleiste der Mikrowelle erloschen. Da sich mein in technischer Hinsicht absolut brillanter Ehemann nicht erklären konnte, weshalb sich das Gerät nicht wieder von selbst einschaltete, konnte es logischerweise nur kaputt sein. Die Küchenlampe war ja auch von allein angegangen, nachdem er den Knopf der Sicherung hineingedrückt hatte, und das Radio hatte ebenfalls wieder gespielt.
    Ich hatte Rolf noch das Brokkoli-Gratin im Kühlschrank gezeigt und das klein Gedruckte auf der Packung mit den tiefgefrorenen Germknödeln, hatte zwei Paar Shorts aus meinem Schrank geholt und war zurückgefahren zu den künstlichen Tannengirlanden und den Keramiktellern mit den goldenen Sternchen drauf.
    An diesem Abend waren wir nicht essen gegangen, vielmehr hatte Steffi grünen Salat gekauft, Tomaten, Radieschen, Paprika und was der von ihr bevorzugte Grieche sonst noch an Grünfutter anzubieten hatte, dazu frisches Baguette, Hannes hatte eine Flasche Prosecco geöffnet, und dann hatten wir auf dem Balkon gesessen, den tanzenden Mücken zugesehen und uns sehr gesund ernährt.
    Das Problem hatte ja auch erst in dem Moment begonnen, als ich feststellte, dass ich keine Zigaretten mehr hatte. »Och nee! Die letzte habe ich auf dem Weg hierher geraucht, und die anderen liegen in meinem Wagen. Gibt’s hier in der Nähe einen Automat?«
    »Das schon«, hatte Hannes gemeint, »aber der ist entweder kaputt oder leer.« Dann hatte er mir eine von seinen Zigaretten angeboten, doch die war viel zu stark gewesen. »Was ist da drin? Seegras? Schmeckt jedenfalls danach.«
    An Steffi hatte ich mich gar nicht erst gewandt, die war immer noch abstinent, und das nun schon seit einer ganzen Woche. Sie hatte Windlichter auf dem Balkon verteilt und mir ein Taschenbuch in die Hand gedrückt. »Guck ruhig mal da rein!«
    Nein, ich will jetzt keine Reklame machen für den Autor, obwohl er das ohnehin nicht nötig ist, denn seinen Namen hat schon so ziemlich jeder Raucher gehört, gleichgültig, ob Ex oder Aktiv. Jedenfalls habe ich bis kurz nach Mitternacht gelesen, dann hatte ich das Buch durch und mir klar gemacht, dass die Abhängigkeit von diesen verflixten Glimmstängeln größtenteils vom Kopf gesteuert wird. Die körperliche

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