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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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während Rolf auf der anderen mit der Osterdekoration anfing. Bei uns heißt das jetzt »gleitende Jahreszeit«.
    In Manila ist aber immer Weihnachten, jedenfalls auf den Straßen, und deshalb wunderte es mich auch gar nicht, dass die Terrasse unseres Hotels mit bunten Lichtern behängt war. Es war einer jener Hochhauskästen, die zwar reibungslos funktionieren, aber genauso unpersönlich sind. Beeindruckend allerdings die riesige Lobby über mehrere Stockwerke, terrassenförmig angelegt mit Springbrunnen, edel aussehenden, jedoch geschlechtslosen Statuen, Treppen und einem wahren Dschungel von üppig wucherndem Grünzeug.
    Wir bezogen unsere Zimmer, restaurierten uns ein bisschen und wollten uns eine halbe Stunde später in der Halle treffen, »am besten bei dieser Aeschynanthus«, rief mir Steffi noch zu, bevor der Fahrstuhl nach oben entschwebte. Die Doppelzimmer lagen offenbar ein paar Stockwerke höher. (Hatte ich schon mal erwähnt, dass der leidige EinzelzimmerZuschlag keineswegs eine besonders komfortable Behausung garantiert, eher das Gegenteil, aber trotzdem eine Urlaubsreise ganz erheblich verteuert?)
    »Was ist eine Aeschy-wienochmal?«, doch das hatte meine Tochter nicht mehr gehört. Leider! Denn als ich mich frisch geduscht und umgezogen (warum eigentlich? Bei dieser feucht-schwülen Hitze würde ich in ein paar Minuten genauso durchweicht sein wie zuvor) auf die Suche nach dieser Aeschy-wasauchimmer machte, konnte ich zumindest sicher sein, dass es sich hierbei um eine jener Pflanzen handelte, der man auch in künstlicher Form begegnen kann, also in Hannes’ Dekor-Großhandel. Nur gibt es davon viel zu viele. Ich habe bei ihm ja schon häufiger Wareneingänge anhand der Lieferscheine kontrolliert, allerdings hatte es sich dabei um Satinband, 14 mm breit, je zehn Rollen in zwölf verschiedenen Farben gehandelt oder um drei Dutzend Windlichter, aber an die Botanik lässt er mich nicht mehr ran. Bei mir heißt ein Usambara-Veilchen eben Usambara-Veilchen und nicht Saintpaulia-Ionantha, und dass sich hinter der von mir hoch geschätzten, weil kaum kaputtzukriegenden Efeutute das lateinische Epipremnum verbirgt, kann doch nur ein Botaniker wissen oder jemand, der täglich mit diesem Grünzeug umgeht. Noch vor ein paar Jahren hat Steffi eine Rose nicht von einer Dahlie unterscheiden können; inzwischen kann sie’s, aber nur auf Lateinisch!
    Nun stand ich also vor den ganzen Gewächsen, hatte die Auswahl zwischen mindestens vierzig verschiedenen Sorten, konnte mich für keine entscheiden, die Aeschy-undnochetwas heißen könnte, bezog Posten in der Nähe des Eingangs, bis ich mitbekam, dass es insgesamt vier davon gab, wollte telefonisch rückfragen, wusste aber die Zimmernummer nicht, setzte mich schließlich auf einen der zahlreich verteilten Sessel und bestellte einen Wodka Orange. Den hatte ich jetzt nötig.
    Meine Lieben tauchten erst auf, als ich sie schon beinahe doppelt sah, denn aus der halben Stunde war eine ganze geworden und aus dem einen Wodka zwei.
    »Wir haben nämlich erst den Roomboy holen müssen, und der hat den Hausknecht …« , begann Steffi, wurde aber sofort von ihrem Mann unterbrochen: »Wie kann man seinen Rucksack abschließen und den Schlüssel zu Hause liegen lassen?«
    »Habe ich ja gar nicht, ich habe nur den falschen mitgenommen!«
    »Ja, den Autoschlüssel!«, trumpfte Hannes auf.
    »War eben reine Gewohnheit«, entschuldigte sich Steffi. »Morgen kaufen wir ein neues Schloss, und wenn du nicht gleich zu meckern aufhörst, dann erzähle ich Määm die Geschichte von dem Schlüssel im Abflussgitter.«
    Die kannte ich aber schon. Hannes hatte seinen Wagen neben einem Gully geparkt, beim Aussteigen etwas klirren gehört und im gleichen Moment bemerkt, dass von seinen drei Schlüsseln einer fehlte – ausgerechnet jener, den es nur einmal gab, weil er den zweiten schon längst verloren und immer versäumt hatte, ein Duplikat machen zu lassen. Der Gullydeckel erwies sich als zu schwer, die Kommentare der interessierten Zuschauer als zu nervtötend, so dass Hannes erst einmal aufgab und sich vornahm, zu einer etwas ruhigeren Zeit als ausgerechnet fünf Uhr nachmittags und dann auch mit geeignetem Werkzeug einen zweiten Versuch zu starten. Noch während der Heimfahrt suchte er in sämtlichen Taschen nach seinem Feuerzeug und fand in der linken Jackentasche … na, was wohl? Richtig! Pech war allerdings, dass der Zigarettenanzünder im Wagen schon seit langem nicht mehr

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