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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Besucherschwund eine Zeit lang zur Wand gedreht, bis die Tische wieder besetzt waren, aber selbst Steffi, die nun wirklich jede Rock- oder Popröhre namentlich kennt, hatte noch nie etwas von jener Ichweiß-nicht-mal-mehr-wie-sie-hieß gehört.
    Lange hielten wir es sowieso nicht aus. Die singende Berühmtheit verfügte sowohl über ein unerschöpfliches Repertoire als auch über eine ebenso unerschöpfliche Ausdauer, denn während die meisten Interpreten der leichten Muse doch nach längstens vier Liedern eine Pause einlegen, arbeitete diese hier ohne Unterbrechung einen Song nach dem anderen ab und ließ dem mäßig interessierten Publikum kaum Zeit zum Klatschen – sofern es dazu überhaupt bereit war. Ich war es nicht.
    »Sieben Uhr Frühstück!«, sagte Hannes, als sich die Lifttüren im elften Stock öffneten. »Und lass dann gleich das Gepäck holen, um acht kommt das Taxi.«
    »Für ihre drei Löffel Obstsalat und die Tasse Kaffee braucht sie doch keine Stunde«, meinte Steffi ganz richtig. »Es genügt, Määm, wenn du um halb acht kommst. Schlaf gut!«
    »Danke, dito!«, konnte ich noch sagen, bevor sich die Türen wieder schlossen. Allerdings war mir, als hätte ich noch ein dumpfes Geräusch gehört, doch das war bestimmt ein Irrtum gewesen. Nach nunmehr drei Wodka Orange wollte ich der Sache nicht mehr auf den Grund gehen.
    Der Mensch jagt ja immer wieder irgendwelchen Schimären nach, wie dem Goldenen Vlies oder dem Stein der Weisen oder einer Methode, den Urlaubskoffer so zu packen, dass man unterwegs die zum Übernachten notwendigen Dinge obenauf findet. Den Schlafanzug hatte ich sofort, auch ein sauberes T-Shirt für morgen früh, aber wo um alles in der Welt waren Slip und BH? Und dann fiel mir ein, dass ich jene Dessous über den ganzen Koffer verteilt und immer dorthin gestopft hatte, wo eine kleine Lücke freigeblieben war.
    Ich rief noch einmal die Rezeption an und änderte den telefonischen Weckruf von sieben Uhr zehn auf sechs Uhr fünfundvierzig!
    »Um Himmels willen, wie siehst du denn aus?«, entfuhr es mir, als meine Verwandtschaft mit nur acht Minuten Verspätung um die Palme bog, hinter der unser Tisch versteckt war. Auf Steffis Stirn prangte eine voluminöse Beule, die schon leicht bläulich schimmerte und wohl demnächst in den hübschen grün-lila Farbton überwechseln würde. Scheinbar empört wandte ich mich an Hannes: »Wenn du schon deine Frau verprügelst, dann solltest du darauf achten, dass es hinterher nicht jeder gleich sieht!«
    Er grinste nur. »Warum denn nicht? Wir nähern uns doch jenen Ländern, in denen der Mann sogar verpflichtet ist, seine Frauen zu züchtigen. Da ich bisher nur eine habe, hat sie wohl ein bisschen zu viel abgekriegt.«
    »War ganz allein meine Schuld!«, fuhr Steffi fort. »Ich bin mit voller Wucht in den Spiegel geknallt und wundere mich immer noch, dass er nicht kaputtgegangen ist.«
    »In welchen Spiegel denn?« Der kleine im Bad wurde durch das Waschbecken blockiert, und sonst gab es nur noch den großen im Kleiderschrank; allerdings musste man dazu erst die Tür öffnen.
    »Ich bin doch nun mal Linkshänderin«, verteidigte sich Steffi, »und als ich gestern Abend aus dem Lift stieg, wollte ich automatisch die linke Seite vom Flur nehmen, bloß da war gar keiner! Ich hatte vorher überhaupt nicht mitgekriegt, dass der Gang an einer Spiegelwand endet.«
    Also hatte ich doch richtig gehört! Es hatte etwas gebumst!
    »Aber man sieht sich doch, wenn man auf einen Spiegel zuläuft!«
    »Ich hatte mich glücklicherweise halb umgedreht, sonst hätte ich das Horn ja mitten auf der Stirn!«
    Das leuchtete ein. »Habt ihr denn kein Messer oder Ähnliches zum Gegendrücken gehabt?«
    Als Kind war ich alle paar Tage mit einer Beule nach Hause gekommen, meistens irgendwo am Kopf, häufig auch am Bein, und jedes Mal war Omi mit einem Messer angerückt. Das musste ich dann fünf Minuten lang auf die Beule pressen, aber weil das meistens hundsgemein wehtat, strengte ich mich natürlich nicht sonderlich an, doch Omi behauptete hinterher immer, nun sähe ich längst nicht mehr so schlimm aus.
    »Hast du denn immer ein Küchenmesser im Gepäck?«, wollte Hannes wissen.
    Im Laufe der nächsten Tage schillerte Stefanies Beule in sämtlichen Regenbogenfarben, und als sie endlich verschwunden war, prangte genau daneben schon wieder eine neue, nur war es diesmal ein außergewöhnlich großer Moskitostich.
    Carlos war auf die Minute pünktlich und widerlegte damit

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