Menschenskinder
funktionierte.
»Welches ist denn nun diese Aeschy-dingsbums?«, wollte ich noch wissen, bevor ich mich langsam hochrappelte.
»Aeschynanthus. Du sitzt doch genau drunter!« Steffi pflückte eine der herabhängenden roten Blüten ab und friemelte sie mir ins Haar.
»Aha. Und wie heißt sie auf Deutsch?«
»Woher soll ich das denn wissen?
Wir wollten gerade die Hotelhalle verlassen, als mich der Kellner abfing. Ob ich Gast des Hauses sei, erkundigte er sich, verstohlen mit der Rechnung wedelnd.
»Nein, ich bin kein Gast, ich zahle hundertachtzig Mark für eine Nacht!«, sagte ich wütend, kritzelte Zimmernummer sowie Autogramm auf den Zettel und lief durch die Tür. Sofort hatte ich das Gefühl, jemand würde mir ein nasses Handtuch um die Ohren schlagen. Die Temperatur war nicht ein bisschen gesunken, dafür hatte die Luftfeuchtigkeit zugenommen. Schon nach ein paar Schritten weigerte sich Hannes weiterzugehen, Steffi schloss sich dem Boykott an, und selbst mir, die ich doch erst ab 25 Grad plus richtig auflebe, war diese Waschküchenschwüle entschieden zu viel. Zu sehen gab es sowieso nichts. Das Hotel lag in einer ruhigen Seitenstraße, und bis zur nächsten Ecke, wo offenbar das Nachtleben begann, waren es mindestens fünfhundert Meter, wenn nicht mehr.
»Wir können doch im Hotel etwas essen«, sagte Steffi schließlich ungeachtet der Tatsache, dass sie es gewesen war, die unbedingt auf einheimischer Küche nebst dazugehöriger Atmosphäre bestanden hatte. Hannes war sofort einverstanden, und ich protestierte auch nur pro forma, hauptsächlich deshalb, weil ich gar keinen Hunger hatte. Das Plastikessen vom Flieger lag mir noch immer im Magen, Alkohol hat bekanntlich auch Kalorien, ganz zu schweigen von meiner inneren Uhr, die mittags um zwei allenfalls nach einer Tasse Kaffee verlangt. In Manila war’s aber schon drei Minuten vor neun, im nahezu voll besetzten Speisesaal tafelten elegant gekleidete Gäste, doch bei ihrem Anblick hatte Hannes plötzlich auch keinen Hunger mehr. Er gehört nämlich zu jenen Männern, die immer noch der Zeit nachtrauern, als man einheitlich gekleidet im Bärenfell herumlief und sich nicht immer wieder mal in korrekter Aufmachung mit – Gipfel allen Horrors – gestärktem Hemd und Krawatte präsentieren musste. Deshalb gehören zu seiner Urlaubsgarderobe außer Shorts lediglich zwei Leinenhosen (knittern bekanntlich edel, sehen aber trotzdem aus wie 19,50 Mark im Sonderangebot!) dito Hemden, die jedoch meistens unbenutzt wieder in den Koffer kommen. Wenn er will, kann er ja, macht im Smoking sogar eine ausgezeichnete Figur, doch im Urlaub will er nie!
Steffi gähnte. »Was haltet ihr davon, wenn wir ganz einfach ins Bett gehen?«
Eigentlich keine schlechte Idee, müde waren wir alle, wer kann im Flugzeug schon schlafen? Noch dazu, wenn man die halbe Nacht mit einem alkoholisierten Mitmenschen zu kämpfen hat? Andererseits war mir klar, dass ich vermutlich erst dann zur Ruhe kommen würde, wenn es Zeit zum Aufstehen war. »Lasst uns wenigstens noch irgendwo was trinken, damit wir die nötige Bettschwere kriegen.«
Steffi war sofort einverstanden. »Am besten in der Bar, da herrscht immer gedämpftes Licht.« Ein beziehungsreicher Blick streifte Hannes’ edel zerknittertes Outfit.
Es gab die Palmtree-Bar, in deren Ausläufern ich vorhin schon meine beiden Wodkas getrunken hatte (allerdings eine reine Vermutung, basierend auf dem Preis), dann die in den unteren Regionen installierte, sehr rustikal anmutende und deshalb wohl auch kaum frequentierte Kellerschenke und eine Moonlight-Bar, die einen unvergesslichen Blick über die Stadt versprach. Gegen den Mondschein hatte ich ja nichts, nur auf den Panoramablick würde ich gern verzichten. Ich leide nämlich unter Hypsiphobie! Das klingt so schön interessant, ist jedoch nichts anderes als die medizinische Bezeichnung für Höhenangst – eine ziemlich alberne Sache, die man angeblich mit eisernem Willen überwinden kann. Mir ist das aber bis heute nicht gelungen, ich habe immer noch Ameisen im Bauch, wenn ich im vierten Stock am Balkongitter stehe oder eine Brücke überquere, unter der ein Abgrund gähnt. Deshalb hasse ich auch Stadtbesichtigungen, weil man dabei meistens etwas Hohes besteigen und runtergucken muss.
Am schlimmsten war New York! Wer zum ersten Mal hinkommt, hat natürlich mit dem Lift auf das Empire State Building zu fahren und auf einen der Zwillingstürme vom World Trade Center, wo man angeblich sehr
Weitere Kostenlose Bücher