Menschenskinder
fast unser Name sein!«, rief sie, bevor sie endgültig losspurtete.
Ich weiß nicht, wer erleichterter war, der Taxifahrer oder wir, nachdem er erst das Gepäck verladen und dann auch noch uns drei in seinen von Hannes extra georderten Kombi gepfercht hatte. Es hatte mit der Kommunikation zwischen Heidelberg und den fernen Philippinen also doch geklappt! Wie es funktioniert, werde ich nie begreifen, aber so ein Faxgerät ist wirklich eine feine Sache! Chauffeur Carlos (Sie haben da unten noch sehr häufig spanische Vornamen, Überbleibsel dreihundertjähriger Fremdherrschaft; die heutigen Johns und Jacks allerdings haben sich an den späteren amerikanischen Befreiern orientiert.) – Carlos also hatte schon befürchtet, uns verfehlt zu haben, und das hätte für ihn nicht nur Verdienstausfall, sondern im ungünstigsten Fall sogar die Kündigung seitens der Agentur bedeutet, und wir waren natürlich auch froh, uns um die Präliminarien zur Weiterreise nicht mehr kümmern zu müssen.
Manila am Abend ist wie Rom plus Paris zur Rush-Hour. Nur lauter! Da vermutlich in jedem Auto das Gaspedal mit der Hupe gekoppelt ist, die Fenster grundsätzlich alle offen stehen und sich die Höhe der Kfz-Steuer anscheinend in umgekehrtem Verhältnis zur Wattstärke der jeweiligen Musikanlage errechnet, herrscht ein unbeschreiblicher Krach auf den Straßen. Die sind immer verstopft, was – zumindest für Touristen – den Vorteil hat, dass man in Ruhe alles besichtigen kann, was sehenswert ist. Die öffentlichen Verkehrsmittel zum Beispiel, wozu in erster Linie bunt bemalte Busse gehören, knapp halb so groß wie die bei uns üblichen, dafür aber doppelt so voll. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, im Fenster zu sitzen und die Beine nach draußen baumeln zu lassen, eine nicht ganz ungefährliche Position, denn der Begriff »Sicherheitsabstand« scheint in Manila unbekannt zu sein. Genau wie »Vorfahrt«; die wird weitgehend nach dem Prinzip geregelt, wer am günstigsten steht, fährt zuerst los. Wenn zwischen zwei im Stau haltende Autos noch ein drittes passt, quetscht es sich hinein, dann lassen sich zwar bei keinem mehr die Türen öffnen, aber wer will schon mitten auf der Fahrbahn aussteigen?
Gewöhnungsbedürftig ist auch die Straßenbeleuchtung. Natürlich gibt es richtige Laternen, sogar ganz moderne, nur können die nicht mithalten mit den unzähligen Lichterketten, die in den Bäumen, den Vorgärten und den Schaufenstern hängen, kleine Straßencafes begrenzen, Imbissbuden illuminieren oder einfach irgendwo herunterbaumeln – einfarbig oder bunt, als Lauflichter oder auch nur mal als bescheidene Konkurrenz zu grellen Neontransparenten.
»Die sieben Stunden Zeitverschiebung leuchten mir ja ein«, sagte Steffi, auf eine besonders farbenfrohe Lichterkette deutend, »aber gehen denn hier nicht bloß die Uhren anders, sondern gleich der ganze Kalender?«
»???«
»Na ja, ich grüble noch, ob jetzt vor Weihnachten ist oder schon danach. Oder könnt ihr euch vorstellen, dass diese Christbaumbeleuchtung immer hier hängt?«
Sie tut es aber, wie unser Chauffeur auf Anfrage versicherte, und wahrscheinlich gewöhnt man sich sogar daran. Ich kenne ja auch ein Ehepaar, das Weihnachten nicht erwarten und sich später nur schwer wieder davon trennen kann. Spätestens Mitte November werden die zum Überwintern aufgereihten Gartenzwerge von den Fensterbrettern geräumt, damit die weihnachtlichen Accessoires Platz haben, nämlich der Porzellanhund mit der roten Zipfelmütze über den Schlappohren, die zwei singenden Engelein, eins im rosa, das andere im himmelblauen Hemdchen, und natürlich die verschiedenen Nikoläuse, der Größe nach aufmarschiert. Vor zwei Jahren ist eine strickende Plastik-Oma dazugekommen, nicht unbedingt ein weihnachtliches Attribut, aber aus ihrem Wollknäuel ragt eine Kerze, das genügt, und außerdem ist jetzt endlich die Lücke neben der Rosenkugel geschlossen. Die gehört sowieso in den Garten.
Gleich nach dem zweiten Adventsonntag wird der Weihnachtsbaum aufgestellt, und zwar immer an derselben Stelle vor dem Erkerfenster mit den halbhohen Gardinen. Geschmückt wird er genauso wie letztes Jahr und vorletztes Jahr und das Jahr davor, und es würde mich nicht wundern, wenn sogar die einzelnen Kugeln immer an der gleichen Stelle hängen. Bunt sind sie, verschieden groß und recht sparsam verteilt, ergänzt durch ebenfalls nur spärlich vorhandene Lamettafäden.
Da steht sie dann, die zwei Meter große
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