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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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lieferte seine Wodkas ab, fragte, auf Karls leeres Bierglas deutend, ob noch another one gewünscht werde, bekam ein Kopfschütteln zur Antwort und trabte ab.
    Wieder schwiegen wir uns an. Nun hätte ich ja irgendetwas Belangloses sagen können, doch das tat ich absichtlich nicht. Stattdessen rezitierte ich – zu Hannes gewandt – mit völlig falscher Betonung und gelegentlich fragend angehobener Stimme das englische Gedicht vom kleinen Tambour, dabei krampfhaft bemüht, ernst zu bleiben, denn was wir hier abzogen, war einfach lächerlich. Steffi sprang auch prompt auf und stürzte in Richtung Toilette, Hannes nickte zustimmend, während er hustend nach einem Taschentuch suchte, und ich saß auch bald wieder auf dem Trocknen, denn von dem Tambour konnte ich bloß noch die ersten zwei Strophen, und schon die hatten nicht gestimmt. Egal, es hatte geholfen. Hannes nuschelte, auf Englisch natürlich, etwas von green green grass in Alabama, und dann hatte Uschilein wohl doch genug. Mit einem demonstrativen Blick zur Uhr vorne an der Rezeption stand sie auf. »Ich glaube, es wird Zeit für uns, nicht wahr, Karl? Man wird hier immer so schnell müde, auch wenn man gar nichts tut.«
    Karl nickte und stemmte sich aus dem Sessel. Gesagt hatte er noch kein einziges Wort, aber jetzt gab er sich einen Ruck.
    »Gutt neit!«, wünschte er uns, und »Good night, Sir«, gab Hannes zurück.
    »Na, dann wünsche ich Ihnen auch eine gute Nacht«, sagte Uschilein, »und Angst brauchen Sie nicht haben, wir werden gut bewacht. Da hinten bei uns sowieso, über die Klippen kommt nämlich keiner rein!« Den tieferen Sinn dieser Äußerung hatte ich gar nicht erfasst, hatte ihn vielmehr als ähnlich informativ angesehen wie die versalzene Suppe und den vermeintlichen Fisch, war nur froh, die Nervensäge endlich losgeworden zu sein. Steffi tauchte auch wieder auf, immer noch lachend, derweil uns Hannes über die Wetterprognosen für die nächsten drei Tage informierte. Beim Zusammenfalten stellte er fest, dass die Zeitung bereits eine Woche alt war.
    Lange blieben wir auch nicht mehr sitzen. Wir wollten lediglich Karl und Uschilein genügend Vorsprung geben, damit wir sie auf dem Weg zu unseren Bungalows nicht doch noch überrunden würden.
    »Schlaft gut«, rief ich den beiden zu, bevor ich um die Ecke bog zu meinem Eingang. »Frühstück um acht?«
    »Viertel nach ist immer noch früh genug«, sagte Hannes, »das Tauchboot fährt um neun Uhr fünfzehn los.«
    Ich schloss meine Tür auf, warf die Handtasche aufs Bett und zog meine Schuhe aus. Dann lief ich noch einmal die wenigen Schritte ans Meer. Anscheinend war gerade aufkommende Flut, denn die Brandung war viel heftiger als vorhin. Aufschäumend brachen sich die Wellen an den Klippen, die unmittelbar hinter dem Strand begannen und das Baden auf dieser Seite der Insel unmöglich machten. Während ich noch überlegte, ob ich mir ein Handtuch holen und mich noch ein Weilchen in den warmen Sand legen sollte, einfach bloß in den Sternenhimmel gucken und die Seele baumeln lassen, flog die Tür zu meinem Bungalow auf. »Hast du eine Nagelbürste?«, fragte Steffi.
    »Ja natürlich, waru …?« Und dann fiel es mir siedend heiß ein: In unseren Waschbecken schwammen noch immer die sonnenölbekleckerten T-Shirts!
    Bis nahezu Mitternacht standen wir in meinem Bad und schrubbten Hemden. Steffi hatte ihre Ladung herübergeholt, weil wir nur eine Bürste hatten und sie abwechselnd benutzten. Die andere hockte derweil vor dem Duschbecken und spülte die Wäsche. Sogar in warmem Wasser, jetzt gab es ja wieder welches.
    Ob die Sachen wirklich sauber geworden waren, konnten wir bei der äußerst sparsamen Beleuchtung nicht feststellen, erst recht nicht im Mondschein draußen auf der Terrasse, über die ich inzwischen eine mitgebrachte Wäscheleine gespannt hatte. Genau wie Uschilein! Und als dann endlich die T-Shirts hingen – sogar ordnungsgemäß mit Klammern befestigt! –, sah es beinahe aus wie zu Hause. Aber nur beinahe, denn mit einer kompletten Wäschespinne im Gepäck bin ich nun doch noch nie verreist!

Kapitel 5
    M it Morgenmuffeln am Frühstückstisch zu sitzen, während man selber durchaus in der Lage wäre, zwischen Obstsalat und Rührei mit Schinken den schwankenden Dollarkurs zu diskutieren, macht wirklich keinen Spaß. Dabei hätte ich mich längst daran gewöhnen müssen, dass Steffi frühestens anderthalb Stunden nach dem Aufwachen an sprechbar wird, während man mit Hannes bereits

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