Menschenskinder
ich noch von meiner Großmutter. Wenn bei uns zu Hause »große Wäsche« angesagt war (den Waschautomaten hatte ja noch niemand erfunden!), dann kam alles über Nacht in die Badewanne und wurde in kaltem Wasser ersäuft, das vorher mit einem halben Paket Henko angereichert werden musste. Dadurch sollte sich der Schmutz lösen. So weit ich mich erinnere, wurde trotzdem intensiv mit der Wurzelbürste gearbeitet, was der Haltbarkeitsdauer speziell von Bettlaken nicht besonders zuträglich war.
Wir waren gerade fertig, als Hannes zurückkam. Sein Gesicht sprach Bände. »Am besten bereitet ihr euch auf drei Wochen Kneipp-Kur vor! Es gibt zwar warmes Wasser, nur nicht genug.«
Regel Nr. 2: Die Angaben in Reisekatalogen entsprechen zwar im Großen und Ganzen den jeweiligen Gegebenheiten, nur entsprechen die Gegebenheiten häufig nicht den eigenen Vorstellungen!
Ich ahnte schon ungefähr, was jetzt kommen würde! Wenn ich nämlich etwas hasse, dann ist es kaltes Wasser, ausgenommen nach einem langen Sonnenbad, und selbst dann bin ich mehr für lauwarm. »Könntest du mal etwas deutlicher werden?«
»Wenn zu viele Leute zur selben Zeit duschen, reicht das warme Wasser nicht für alle. Wer zu spät kommt, kriegt keins mehr ab. Ist doch logisch!«
Natürlich war das logisch, doch was nützte mir das? »Ab wie viel Uhr bricht denn der Notstand aus?«
»Andere Frage: Wann beginnt ihr immer mit eurer abendlichen Schönheitspflege?«
Ich sah Steffi an. »Na, wenn die Sonne untergegangen ist. Wir kontrollieren doch immer erst, ob sie’s auch wirklich tut.«
»Die anderen bleiben doch auch so lange am Strand«, warf Steffi ein. »Nur haben die nicht so einen weiten Weg nach Hause!«, trumpfte er auf. »Aber ihr wolltet ja unbedingt weit weg von den Segnungen der Zivilisation.« Wobei offen blieb, ob er das jetzt auf die ganze Insel bezog oder nur auf unsere, Bungalows.
Altes Ekel! Ihm macht so ein Kälteschock ja nichts aus! Nach jedem Saunagang steht er immer am längsten unter der Schwallbrause, aus der das eiskalte Wasser wirklich eimerweise rauskommt, grunzt zufrieden vor sich hin und hat kein Verständnis für empfindlichere Naturen, wie ich eine bin. Zum Beweis verschwand er auch gleich im Bad, und wenig später hörten wir es rauschen. Dazu erklang etwas, das ganz entfernt an Gesang erinnerte.
»Hast du dir schon mal die Haare mit kaltem Wasser gewaschen?«, wollte Steffi wissen. »Das dauert doch doppelt so ’ lange, bis der Schaum wieder draußen ist.«
»Nimm weniger Shampoo!«, empfahl ich noch, bevor ich mich in meine eigenen vier Wände zurückzog. Meine stille Hoffnung, das Wasser habe sich in der Zwischenzeit wunderbarerweise wieder erwärmt – wäre ja immerhin möglich gewesen! – erfüllte sich natürlich nicht. So wurde es eine Reinigung im Schnelldurchgang, und obwohl ich mir immer wieder vorzustellen versuchte, ich stände wie noch am Morgen in einem dunkelblau gekachelten Bad unter einem wundervoll heißen Wasserstrahl, übertönte mein Zähneklappern sogar das Gluckern vom Abflussrohr.
Es war bereits stockdunkel, als wir uns auf den Weg zum Speisesaal machten. Für mich ist es immer wieder ein Phänomen, wie schnell in tropischen Breiten die Nacht hereinbricht. »L’heure bleu«, also die Blaue Stunde zwischen Sonnenuntergang und Dunkelheit, gibt es nicht, die Stunde dauert nur Minuten. Deshalb wird ja auch immer die Mitnahme einer Taschenlampe empfohlen, aber wer hat schon so ein Ding? Außer im Auto natürlich, doch da liegt bei mir ein ziemlich unhandliches Teil, das vermutlich einen Scheinwerfer ersetzen und notfalls sogar als Waffe benutzt werden könnte. So was nimmt man natürlich nicht mit auf eine Reise.
Taucher dagegen haben immer Licht dabei, passend für über und unter Wasser. Das für unter ist aber für über nicht geeignet, da viel zu schwer und unhandlich, das für über ist nicht wasserdicht, kann also nicht mit nach unten, deshalb muss man verschiedene Ausführungen haben, denn ein Nachttauchgang beginnt meistens am Ufer, und wenn einem da mal was runterfällt, sieht’s im wahrsten Sinne des Wortes finster aus.
Natürlich hatte Hannes eine Taschenlampe mit. Glücklicherweise, denn wir brauchten sie dringend. Zwar waren die einzelnen Bungalows beleuchtet, die Wege auch, allerdings in zu großen Abständen, so dass man Unebenheiten häufig erst dann bemerkte, wenn man mit ihnen in Berührung gekommen war. Nach ein paar Tagen schafften wir es aber auch ohne
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