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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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rostfarbenem Inhalt. »Huhu, hier sind wir!«, winkte sie sofort. »Wir haben extra für Sie freigehalten.«
    Das dürfte nicht schwer gewesen sein. Nur noch eine Sitzgruppe war belegt, dort wurde unter viel Gelächter gewürfelt. »Now I need full house!« Aha, Kniffel! Könnten wir auch mal wieder spielen, Würfelbecher und Blocks hatte ich dabei, auch Rommekarten und dieses absolut idiotische Spiel, bei dem man die zu erratenden Begriffe kneten muss. Nur – wie stellt man in maximal fünf Minuten Kühlschrank abtauen oder Hustenanfall lediglich mit Knetmasse dar? Einen Sieger gibt es bei diesem Spiel selten, aber garantiert viel Spaß!
    Auf dem Weg zur Bar hatten wir Hannes über Uschilein aufgeklärt und über ihre Freude, endlich jemanden zum Reden gefunden zu haben. »Neun Tage bleiben sie noch, und wenn sie endlich abreisen, dann kennen wir ihre Ahnenreihe bis hin zu den Bauernkriegen«, prophezeite Steffi. »Fällt dir nichts ein?«
    Natürlich fiel Hannes etwas ein. »Hab ich vorhin eigentlich mit ihnen gesprochen?«
    Synchron schüttelten wir unsere Köpfe. »Du bist wie üblich schnurstracks zum Futtertrog marschiert!«, erinnerte Steffi.
    »Stand ja noch gar keiner auf dem Tisch«, wehrte er sich.
    »Wenn ich euch richtig verstanden habe, dann spricht keiner von den beiden Englisch?«
    Wir schüttelten wieder.
    »Na also, dann bin ich jetzt Jack aus Middlethorpe, der kein Deutsch, sondern nur Englisch kann, und dem man jedes Wort übersetzen muss.«
    »Sie weiß aber schon, dass ich verheiratet bin«, warf Steffi ein. »Wo liegt Middlethorpe?« War ja nicht ganz unwichtig.
    »Du bist ab jetzt mit einem Engländer verheiratet, weil Middlethorpe in England liegt.«
    »Gibt’s den Ort überhaupt?«
    »Keine Ahnung, aber er klingt, als könnte es ihn geben.«
    Ich gebe ja zu, dass unser Vorhaben nicht gerade der feinen englischen Art entsprach, und riskant war’s außerdem, denn wenn ein echter Brite Hannes zwar flüssiges, doch keineswegs korrektes Englisch hören würde, dann stünden ihm innerhalb von Sekunden die Haare senkrecht. Von Steffi und mir gar nicht zu reden! Wir kommen zwar überall ganz gut durch, aber von »fließend sprechen« kann überhaupt keine Rede sein.
    Es klappte trotzdem! Hannes wurde vorgestellt als Jack Mahonney, was seinem eigentlichen Namen zumindest teilweise ähnelte, während Steffi ihren vorsichtshalber behielt, heutzutage ist das ja möglich, dann murmelte unser Pseudo-Engländer ein »glad to meet you«, setzte sich und griff nach einer auf dem Tisch liegenden englischsprachigen Zeitung.
    Uschilein war sichtbar beeindruckt. »Ach, Ihr Schwiegersohn ist Amerikaner«, wandte sie sich an mich, »das wusste ich ja gar nicht.« Woher auch? »Nein, Engländer«, berichtigte ich, »aus Northumberland.«
    »Ach ja«, sagte Uschilein, und dann sagte sie erst mal gar nichts, weil ein Kellner unsere Bestellung zu notieren wünschte.
    »You want Wodka lemon, darling?«, wandte sich Steffi an ihren Mann.
    Hannes nickte, obwohl er viel lieber ein Bier gehabt hätte, wie er später zugab. Wir entschieden uns für das gleiche, Kellner Julio trabte ab, und dann entstand ein etwas ungemütliches Schweigen. »Jack« las oder tat wenigstens so, Steffi betupfte ihre zwei neuen Mückenstiche mit Spucke, ich kramte in meiner Handtasche und wusste nicht, wonach.
    »Wie lange sind Sie denn schon verheiratet?«, erkundigte sich Uschilein, dabei intensiv auf Steffis Trauring blickend.
    »Drei Jah …«
    »Nächsten Monat haben sie Einjähriges!«, unterbrach ich sofort, bevor sich Steffi verplapperte. Ein Engländer, der angeblich seit drei Jahren mit einer Deutschen verheiratet ist, sollte von der fremden Sprache doch schon einiges verstehen können! Schon nach nur einem Jahr sollte das möglich sein, wenn er nicht als Ignorant dastehen wollte, aber das war jetzt nicht zu ändern. Sogar meine ehemalige Schwiegertochter Vicky hatte sich bereits nach wenigen Monaten recht gut verständigen können.
    »What did she say?«, brabbelte Hannes dazwischen.
    »Not important, dear«, gab Steffi zurück, langsam in Schwierigkeiten geratend, denn simultan zu übersetzen ist ja nicht so ganz einfach.
    »Ach, dann sind Sie beinahe noch in den Flitterwochen?«, meinte Uschilein wohlwollend, griff zu ihrem Glas und kippte seinen Inhalt in einem Zug herunter. »Müssen Sie auch mal probieren! Wie das heißt, habe ich vergessen, aber auf der Karte steht es auf der linken Seite an vorletzter Stelle.«
    Julio

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