Menschenskinder
nach der ersten Tasse Kaffee reden kann. Zumindest eingeschränkt! Deshalb benehme ich mich bei gemeinsamen Reisen auch immer wie ein überaltertes Kindermädchen, das seinen Schutzbefohlenen das Frühstück vom Büffet holt. Steffi kriegt ihren Orangensaft, und während ich ihn eingieße, ordere ich bei einem der herumstehenden Kellner Tee für meine Tochter und Kaffee für Hannes und mich. Glücksfälle sind jene Hotels, bei denen Thermokannen auf dem Tisch stehen. Zwar ist der Kaffee häufig schon lauwarm und schmeckt nicht besonders, der Tee dagegen sieht aus wie Kaffee und schmeckt auch nicht, aber beide Getränke sind bereits trinkfertig, werden konsumiert und lösen allmählich die Sprachblockade. Hannes ist schon in der Lage, Spiegeleier zu bestellen, lässt sich allerdings von seiner Frau durch mehrmaliges Kopfnicken bestätigen, dass sie auch welche will.
Auf unserem Inselchen gab es jedoch keine Massenabfütterung, der Kaffee wurde jedes Mal frisch gebrüht und hätte sogar Tote wieder aufgeweckt. Außer Stefanie. Im Gegensatz zu Hannes, der ihn als »na ja, etwas gewöhnungsbedürftig, aber durchaus trinkbar« bezeichnete, bin ich gleich am ersten Tag zum Tee konvertiert.
Der nun folgende Dialog wiederholte sich in etwas abgewandelter Form jeden Morgen zwischen acht und neun Uhr.
Ich: »Habt ihr heute früh auch diesen krächzenden Vogel gehört? Was war das für einer?«
Hannes (nach dem zweiten Schluck Kaffee): »Wann?«
Ich: »So gegen halb sieben.«
Hannes: »Nein.«
(Pause, während der Kellner einen Korb mit Backwerk auf den Tisch stellt.)
Ich: »Wo kriegen die hier die frischen Brötchen her? Vom Bäcker um die Ecke?« (Misslungener Versuch, witzig zu sein. Es kommt auch keine Antwort.) »Ich hole mir jetzt ein paar Früchte, soll ich euch welche mitbringen?«
Steffi (schüttelt den Kopf, murmelt): »Nonch, … her lber«, (was ich vollkommen richtig mit »noch nicht, die hole ich mir nachher selber« übersetze.)
Hannes: »Welche gibt’s denn?«
Ich: »Na, alle, die dort wachsen, wo man keinen Winter kennt.«
Hannes: »Auch Mangos?«
Ich: »Natürlich auch Mangos. Angeblich schmecken sie nirgends so gut wie hier auf den Philippinen.«
Hannes: »Mir aber nicht.«
Steffi: »Is noch Tee da?« (Immerhin schon ein kompletter und vor allem verständlicher Satz.)
Hannes: »Trink nicht so viel, sonst musst du wieder Pipi machen, wenn wir gerade mal zehn Minuten unten sind!«
(Hier dürfte eine kurze Erklärung fällig sein: Im Gegensatz zu Badebekleidung, die eine Urindusche im Meer nicht übel nimmt, sollte man das bei den Neopren-Anzügen tunlichst vermeiden. Wer mal als Schnorchler oder auch nur als Gast auf einem Tauchboot mitfährt, wird beobachten, dass die Taucher nach beendeter Exkursion gar nicht schnell genug ihre ganze Ausrüstung loswerden können, um sofort wieder ins Wasser zu springen und einige Meter wegzuschwimmen. Wenig später klettern sie mit erleichterten Mienen erneut an Bord. Und bleiben auch da.)
Steffi (gibt Buchstabenfolgen von sich, die mit Fantasie und gutem Willen als Protest ausgelegt werden können): »… mmt ühaut nich.«
Ich: »Will nun jemand Obst haben?«
Hannes: »Ja, aber keine Mango.«
(Zehn Minuten später. Der Kellner hat nicht nur frischen Tee gebracht, sondern auch die Eier und tritt wieder ab.)
Hannes: »Sieht hier jemand irgendwo Salz?«
Steffi: »Nebentisch.«
(Wir fangen an zu essen. Schweigend. Herr v. Knigge wäre zufrieden, mit vollem Mund soll man ja nicht reden. Andererseits wird er zwischendurch immer mal wieder leer. Wie war das doch gleich mit dem empfohlenen leichten Geplauder?
Politik und Religion sind tabu, Klatsch ist nicht jedermanns Sache, außerdem hatten wir Uschilein und Karlemann schon gestern genug durchgehechelt, das Wetter mit gleich bleibend blauem Himmel ist wenig ergiebig, nicht mal übers Tauchen können wir reden, es hatte ja noch gar nicht stattgefunden. Und dann ganz plötzlich …)
Steffi: »Sind wir hier auf einer Beerdigung, oder warum schweigen wir uns so an? Hab’ ich vielleicht was Falsches gesagt? Bin ich jemandem auf den Schlips getreten?«
(Sie meint es tatsächlich ernst!)
Hannes: »Guten Morgen! Endlich ausgeschlafen?«
Steffi: »Wieso? Ich habe doch gar nichts gesagt!«
(Eben!!!)
Bevor sich die beiden Unterwasserfreaks zur Tauchbasis begaben, pustete Hannes noch schnell die Luftmatratzen auf. Ich hätte es ja auch gekonnt, nur dauert es bei mir viel länger. Taucher haben nämlich ein
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