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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Zusatzbeleuchtung. Sechs Schritte nach dem Abzweig zu Bungalow Nr. 8 ging es 14 Schritte lang ziemlich steil bergab, und danach kam auch gleich die Baumwurzel, äußerst unangenehm, wenn man barfuß oder nur mit Sandalen an den Füßen dagegen stieß. Ungefähr zehn Schritte vor dem Generatorenhaus sollte man vorsichtshalber nach rechts ausweichen wegen der falling coconuts, aber nicht zu weit, denn da stand ein ziemlich ausladender Busch mit Stacheln, und bevor man in den Lichtschein des Haupthauses trat, kam dieser Stein; ob Koralle oder Lava, weiß ich nicht, offenbar konnte man ihn nicht ausgraben, aber wer einmal mit ihm Kontakt gehabt hatte, sah zu, dass es nicht ein zweites Mal passierte. Drei Tage lang bin ich mit einem dick verpflasterten großen Zeh herumgelaufen.
    Der Speisesaal war nicht sehr groß, spärlich beleuchtet und leer. Man saß nämlich im Schein von Windlichtern draußen auf der überdachten hölzernen Terrasse, die sich an der Längsseite des Gebäudes entlang zog. Auf der rechten Seite standen die Zweier-Tische, gegenüber die für vier Personen. Dazwischen, einem Laufsteg nicht unähnlich, der Gang, den wir nun entlang schritten, angeführt von unserem Kellner und begleitet von den mehr oder weniger interessierten Blicken der bereits speisenden Gäste.
    »Das reinste Spießrutenlaufen«, flüsterte Steffi, »einfach grässlich!«
    »Wenn morgen oder übermorgen Neue kommen, guckst du genauso«, flüsterte ich zurück.
    »Kann ja sein, aber bestimmt nicht so auffällig!«
    Uschilein winkte uns schon von weitem zu. Ein Ausweichen war unmöglich, wir mussten direkt an ihrem Tisch vorbei und wurden sogleich mit Beschlag belegt. »Sieh mal, Karl, das sind die Leute, von denen ich dir erzählt habe. Deutsche!«, bekräftigte sie, während Karl aufstand und uns mit Handschlag begrüßte. »Sehr erfreut.«
    So erfreut sah er gar nicht aus, aber wer lässt sich schon gern beim Essen stören, zumal Uschilein bereits fertig war und sich nun bemüßigt fühlte, uns bei der Menüwahl zu beraten. »Nehmen Sie nicht die Suppe, die ist versalzen, und der Fisch is hier nie so besonders, aber das Huhn können Sie ruhig essen, das schmeckt immer.«
    Die Suppe war nicht versalzen, sondern bloß ziemlich scharf, schmeckte aber großartig, und der Fisch entpuppte sich als Languste, für die man normalerweise einen Aufpreis zu zahlen hat. Und hier gehörte sie zum regulären Abendessen wie anderswo Schnitzel oder Gulasch in Rahmsoße. Wahnsinn!
    Unser Kellner hieß Juan, war Anfang zwanzig und für einen Mann viel zu schön. Und viel zu schwul! Nie wieder habe ich mit solch graziösen Bewegungen mein Essen serviert bekommen, nie wieder haben mich dunkle Samtaugen so zärtlich angesehen, wenn ich den leeren Salzstreuer gegen einen gefüllten auszutauschen bat, und nie wieder hat mir jemand so liebevoll ein Glas Weißwein über die Bluse gekippt – unabsichtlich natürlich, aber Juan hatte Camillo gesichtet, der drei Tische weiter servierte. Camillo war auch schwul, nur fiel es bei ihm nicht so auf. Bis zum letzten Tag waren wir uns nicht sicher, ob Juan nun mit Camillo … oder doch nicht, weil nämlich Camillo eventuell mit Barkeeper Joe … ist ja auch egal, die Jungs waren alle auf Draht, und von ihrer Höflichkeit und ihrer Konzilianz könnte sich so mancher europäische Kollege eine dicke Scheibe abschneiden.
    »Sind Karl und Uschilein immer noch da?« Ich konnte sie nicht sehen, weil ich ihren Tisch im Rücken hatte, und umdrehen wollte ich mich auf keinen Fall; am Ende würde ich damit ein keineswegs vorhandenes Interesse signalisieren.
    »Sie haben schon zum zweiten Mal Kaffee gekriegt«, sagte Stefanie, »aber lange können sie vor den leeren Tassen nun wirklich nicht mehr sitzen bleiben. Wenn wir noch ein paar Minuten warten, sind sie weg.«
    Fünf Minuten warteten wir, dann meldete Steffi freie Bahn.
    »Was meinst du, ob die jetzt in der Bar hocken? Wenn wir uns da sehen lassen, haben wir sie garantiert am Hals.«
    »Glaube ich nicht! Nach Barhocker und B 52 (ein von Hannes favorisiertes Höllengetränk) sehen die beiden eigentlich nicht aus, eher nach Bier und Stammtisch. Ich glaube, wir können es ruhig mal versuchen.«
    So ganz falsch hatte ich mit meiner Vermutung nicht gelegen, aber auch nicht richtig. Karl saß allerdings nicht auf einem Barhocker am Tresen, sondern im Sessel mit einem halb geleerten Bierglas in der Hand, Uschilein gegenüber, Blickrichtung Eingang. Vor ihr stand ein Glas mit

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