Menschenskinder
Steffi, hoffentlich endgültig ihren Traum von angeblich schönsten Tauchgebiet der Erde begrabend.
Es gab auch einen Herrn Heinrich, Gunther mit Vornamen, der erst am übernächsten Tag anreiste, dann aber mit Hubschrauber, denn er hatte zu Hause noch Geschäftliches zu erledigen gehabt. Später erfuhren wir, dass »Zuhause« Hongkong bedeutete, wo man irgendwas Bedeutendes in der Filmbranche war und sich wenigstens alle zwei Monate ein paar Tage Ausspannen gönnte. »In Hamburg war’s uns einfach zu kalt und zu nass«, sagte er, »aber bevor die verdammten Schlitzaugen in Hongkong wieder das Sagen haben werden, gehen wir auch zurück, nicht wahr, Gittilein?«
Nein! Nicht noch eine!!! Allerdings muss ich zugeben, dass Gittilein eine wesentlich amüsantere Gesellschafterin war, denn sie verfügte nicht nur über einen knochentrockenen Humor, sondern war auch beneidenswert schlagfertig. »Uschi Klatz? Natürlich kenne ich sie, ihr entgeht doch niemand, der europäisch aussieht, weil sie sich immer einen Dolmetscher für ihre Klagelieder erhofft. Wir haben denselben Roomboy, deshalb hat mich Henry auch geholt, als die Verständigung zwischen den beiden bei Null angekommen war. Uschi hatte sich nämlich über das zu harte Toilettenpapier beschwert.« Fragend hob sie die Augenbrauen. »Was benutzen die wohl zu Hause? Kaschmir-Tücher? Ich habe ihr jedenfalls Bananenblätter empfohlen, die seien nicht nur weich, sondern wegen ihrer Größe auch sehr ergiebig.« Plötzlich kicherte sie. »Sie hätten bloß mal die Ansammlung von Duftflaschen im Bad sehen sollen! Der ganze Raum roch wie toter Friseur.«
Von Gittilein erfuhr ich auch, wie man den abendlichen Warmwassernotstand umgehen konnte. Gleich neben dem »Doktorzimmer« gab es eine schmale Tür, die man als Unbefugter natürlich nicht öffnet, weil man ja nicht neugierig ist. Mir war sie gar nicht aufgefallen, sonst hätte ich vielleicht doch … Jedenfalls verfolgte ich interessiert, wie Gittilein (eigentlich hieß sie ja Birgit) den Rest ihres SonnenuntergangCocktails austrank, aus der Strandtasche einen Kulturbeutel zog, zum Bademantel griff und Richtung Arztpraxis spurtete. Dann verschwand sie hinter jener Tür und tauchte zehn Minuten später mit nassen Haaren und leicht dampfend wieder auf. »Waren Sie in der Sauna?«
»Da sich unter meinen Vorfahren weder Eskimos befinden noch Pelztierjäger oder sibirische Robbenfänger, habe ich noch immer keine Resistenz gegen Kaltwasserduschen entwickeln können, obwohl sie ja angeblich gesund sein sollen. Ich brauche aber hinterher jedes Mal einen doppelten Whisky zum Warmwerden, und der hebt jeden Versuch einer Gesundheits-Prophylaxe wieder auf.« Sie rubbelte die Haare trocken. »Die Insel-Fama behauptet, in manchen Bungalows gäbe es um diese Tageszeit tatsächlich warmes Wasser, nur habe ich während unserer ganzen Aufenthalte, und wir sind jetzt zum elften Mal hier, noch niemanden getroffen, der das bestätigen konnte.«
Du meine Güte, elf Mal? Ich glaube, jeder fühlt sich gelegentlich »reif für die Insel«, träumt davon, wünscht sich dorthin, aber muss es denn immer dieselbe sein? »Ich sag’s auch bestimmt nicht weiter, aber gibt es da hinten etwa irgendwo eine warme Dusche?«
»Sogar zwei!«, sagte sie lachend. »Das wissen bloß die wenigsten. Und – reiner Selbsterhaltungstrieb! – so sollte es nach Möglichkeit bleiben, sonst feiert Pastor Kneipp bald auch hier oben fröhliche Urständ. Also Vorsicht, wenn Sie die Tür öffnen!«
Aber sicher! Endlich würden wir wieder das Sonnenöl aus den Poren kriegen!
Sogar der faulste Mensch verspürt gelegentlich den Wunsch nach Bewegung. Zwar muss man es damit nicht gleich übertreiben, aber zu Hause lasse ich doch häufig das Auto stehen, schwinge mich aufs Fahrrad und radle zum Bäcker. Oder zu Aldi, der ist noch weiter weg. Kann aber auch schief gehen, wenn ich nämlich mehr einkaufe, als ich wollte, was meistens der Fall ist, und hinterher nicht alles auf einmal wegkriege. Dann muss ich die Tüten an der Kasse deponieren und doch mit dem Auto kommen. Früher bin ich sogar zu Fuß gegangen, weil Dackel Otto dreimal täglich Gassi musste, doch seitdem er im Hundehimmel ist, finde ich Spazieren gehen wieder ausgesprochen langweilig. Als Bewohnerin eines Kurortes werde ich ja täglich mit Spaziergängern konfrontiert und kann mit 97%iger Sicherheit sagen, wie lange der betreffende Kurgast schon kurt. Einzelgänger zum Beispiel sind fast immer gerade erst
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