Menschenskinder
ausgingen. Nun war mir auch klar, wozu Doc die Streichhölzer mitgenommen hatte. Sie haben bloß nicht gereicht! Immerhin war es ihm dank schneller Reaktion und entsprechender Zwischenspurts gelungen, die ständig verlöschenden Lichtquellen neu zu entzünden, bis die meisten Gäste mit dem Essen fertig waren. Sofern sie nicht wie ich gegrillten Fisch gewählt hatten. Der hat bekanntlich Gräten, und waren sie schon im flackernden Feuerschein kaum zu finden gewesen, so war es im Dunklen völlig unmöglich. Also stand ich auf, entfernte mich ein paar Schritte und kippte die Überreste ins Meer in der Hoffnung, dass seine Bewohner weniger sensibel sein würden als zum Beispiel Stefanie, die neuerdings den Genuss von Barrakuda oder Sailfish mit der Begründung ablehnt: »Ich esse keine Tauchpartner!« In welche Kategorie sie Shrimps und Lobster einreiht, bleibt allerdings ihr Geheimnis!
Nachdem der Magen sein Recht bekommen hatte und bis auf ein paar windgeschützte auch sämtliche Fackeln erloschen waren, verstummten allmählich Gespräche und Gelächter, und plötzlich herrschte eine Stille wie in einem überfüllten Fahrstuhl. Wir saßen oder lagen einfach im Sand, schauten in den dunklen Himmel, an dem ab und zu ein Wolkenklecks die Sterne wie mit einem Tafellappen wegwischte, und was diese romantische Stimmung etwas beeinträchtigte, waren lediglich die Sandflöhe. »Mistviecher, elende!«, klang es von hinten, untermalt von einem heftigen Klatschen, oder »damned fleas!« von dort, wo das Flitterwochenpärchen saß beziehungsweise lag, und das auf wirklich allerengstem Raum. Vielleicht wäre eine Insel mit wenigstens ein paar Büschen doch besser gewesen! Nicht nur wegen der Pärchen, von denen einige auf der Suche nach ungestörter Zweisamkeit Hand in Hand dieses Mini-Eiland umrundeten und nicht mal einen Seegrasstängel fanden, sondern auch aus anderen Gründen, von denen nicht nur Uschilein betroffen war. Aber sie ist es gewesen, die das aussprach, was andere, mich eingeschlossen, nur dachten: »Wo kann man denn hier, wenn man mal muss?«
Vorbei war’s mit der Romantik und der sentimentalen Stimmung. Die Realität hatte uns wieder!
»Das Meer ist weit, das Meer ist groß, in ihm wird mancher manches los«, kalauerte Hannes und schritt zur Tat, was auch nicht weiter schwierig war, denn er brauchte sich nur einige Meter zu entfernen, dann hatte ihn schon die Dunkelheit verschluckt, und drei Schritte ins Wasser zu gehen.
»Und was machen wir?«, seufzte Steffi. »Eine Flasche Mineralwasser, ein Bier, zwei Tassen Tee und jetzt noch dieser komische Cocktail übersteigen allmählich das Fassungsvermögen meiner Blase. Wenn die hier öfter ein Picknick durchziehen, dann hätten sie schon längst mal weiter hinten so’n Dixi-Klo aufstellen können, auch wenn’s nicht in die Landschaft passt.«
Es gab aber nun mal keins. »Ob’s am anderen Ende der Insel eine Möglichkeit gibt? Da liegt doch so ein bisschen Geröll rum …«
»Eben! Ein bisschen Geröll! Das genügt doch nicht!« Trotzdem marschierte sie los, und ich trabte hinterher. Kaum fünfzig Meter waren es, dann hatten wir die Insel durchquert, und dort am Ende fanden wir das, was wir suchten: Eine Freilufttoilette, sogar mit Wasserspülung. Ein etwa drei Meter hoher und ebenso breiter, massiver Block musste dieser Fels mal gewesen sein, in den das Meer einen richtigen Tunnel gegraben hatte und sich nun mit jeder Welle schäumend an den Wänden brach. Wir waren keineswegs die einzigen, die da herumstanden und mit zwiespältigen Gefühlen abschätzten, wie hoch jeweils das Wasser spritzte.
»Die dritte Welle ist immer etwas höher als die zwei vorangegangenen«, behauptete meine Tochter nach genauer Beobachtung der Intervalle, »wenn man sich beeilt, könnte man es schaffen, sonst gibt es eine automatische Selbstreinigung.«
»Dann können wir auch gleich ins Meer gehen!« , bemerkte der weibliche Teil der zweisprachigen Flitterwöchner aus Hongkong ganz richtig, während der männliche sich der Stimme enthielt.
»Und haben jede Menge Zuschauer«, ergänzte ich. »Das hier ist eine nahezu kreisförmige Insel, die jeder problemlos umrunden kann – und es auch tut!« Ich deutete auf ein weiteres, allerdings mandeläugiges Pärchen, das herangeschlendert kam und prompt stehen blieb. »Something wrong?«
»Nothing!«, sagte Steffi, doch die beiden schienen nicht so ganz überzeugt zu sein. Jedenfalls blieben sie stehen, und als dann auch noch Uschi
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