Menschenskinder
einem nur noch versehentlich Cola über den Rock kippen oder den farbintensiven Kräutertee, in Extremfällen auch mal Nagellack, doch dagegen hat man ohnehin wenig Chancen, dann kann man allmählich zu helleren, jedoch immer noch gedeckten Tönen übergehen, also lavendel, moosgrün und maron. Noch ein paar Jahre später darf man endlich anziehen, was man will!
Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits fünfzig, über Minirock und nabelfreie Hemdchen hinaus, zumal es die fast nur in quietschbunten Farbkombinationen gab, und so entdeckte ich zwangsläufig die sanfteren Töne, auf die ich früher – s.o. – notgedrungen verzichtet hatte. Vermutlich bleiben sie nur ein Übergangsstadium, denn ich habe mir sagen lassen, dass auch Enkelkinder einen gerne umarmen, nachdem sie in einer Regenpfütze gespielt oder Schokoladeneis gegessen haben.
Logische Folgerung: Jüngere Frauen, also solche zwischen 42 und 54, die helle Farben tragen, sind zwar nicht mehr erziehungsberechtigt, aber auch noch nicht Oma, befinden sich also quasi in Warteposition und sollten die alten Kleider lieber noch nicht einem wohltätigen Zweck zuführen, sondern vorübergehend in den Schrank hängen; Frauen von 70 an aufwärts haben in den meisten Fällen bereits die zweite Nachfolge-Generation überstanden und bevorzugen deshalb nur noch Pastelltöne! Sie haben es sich verdient!
Stefanie geruhte also das mintfarbene T-Shirt anzunehmen, vermutlich deshalb, weil links oben ein Krokodil drauf war (Räumungsverkauf!), und dann machten wir uns auf den Weg zur Bar, denn in Kürze würde die Sonne untergehen. Das tat sie zwar jeden Tag, doch wir würden es hier nur noch dreimal erleben; zu Hause waren die Möglichkeiten, mit einem Cocktailglas in der Hand auf der Terrasse zu sitzen und übers Meer in die sinkende Sonne zu schauen, sehr eingeschränkt. Wir schrieben nämlich immer noch Februar, eine Tatsache, die man bei dreißig Grad Durchschnittstemperatur allzu leicht vergisst. Das Meer vor der Haustür fehlt sowieso.
»Bist du eigentlich schon mal Helikopter geflogen?« Steffi guckte nach oben, wo so ein Ding herumschraubte. Sie schienen in dieser Gegend das bevorzugte Transportmittel zu sein. »Wieso ein Schiff schwimmt, kann ich mir halbwegs erklären, warum ein Flugzeug fliegt, habe ich auch kapiert, aber wie diese knatternden Monstren funktionieren, werde ich nie begreifen.«
»Die Rotoren halten sie in der Luft!« Das war aber auch alles, was ich dazu sagen konnte. Warum sie es tun, weiß ich bis heute nicht. Nein, bitte keine Erklärungen! Das haben schon mindestens ein Dutzend kompetente Menschen versucht und sind immer sehr schnell an die Grenzen meines physikalischen Verständnisses gestoßen! Das ist nämlich unterentwickelt und entspricht allenfalls dem eines normal begabten neunjährigen Kindes.
Hannes wartete schon auf uns, hatte bereits die Drinks bestellt und sogar drei Stühle ergattert, an denen um diese Tageszeit immer Mangel herrschte. Wahrscheinlich bot die in allen Urlaubshotels so beliebte
happy hour
die beste Möglichkeit, seinen tagsüber in der vorwiegend horizontalen Lage befindlichen Körper allmählich wieder an eine vertikale Position zu gewöhnen.
Wo sie hergekommen waren, konnte hinterher kein Mensch mehr sagen, sie waren plötzlich da: Drei martialisch aussehende, bis an die Zähne bewaffnete Soldaten in Kampfanzügen mit Stahlhelm auf dem Kopf und schussbereiter Maschinenpistole in den Händen. Sie musterten uns, die wir diese Gestalten entgeistert anstarrten, nur schweigend, brüllten weder das erwartete »Rands up!« noch machten sie Anstalten, uns der Reihe nach auszuplündern. Standen einfach bloß da, taten nichts, guckten.
Entsetztes Schweigen, dann ging das Getuschel los. In allen auf der Insel zur Zeit gängigen Sprachen wurden Vermutungen angestellt, die von »Vielleicht haben sie sich bloß verlaufen, hier sieht doch eine Insel wie die andere aus!« bis zu »Stellt euch bloß mal vor, es ist Krieg, und wir wissen nichts davon!«
Hannes tippte auf eine Revolution. »In diesen Breitengraden ist es doch üblich, dass alle paar Jahre eine Regierung gestürzt wird, aber ganz egal, wer gerade am Ruder ist, Devisen brauchen sie alle, und die kriegen sie von den Touristen. Ich glaube also nicht, dass uns etwas passieren wird.«
Trotzdem wagte niemand aufzustehen. Ein mutiger Kellner, der einen ersten Kommunikationsversuch mit den Soldaten gestartet hatte, bekam als Antwort nur ein Kopfschütteln (verstanden hatten
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