Menschenskinder
die Zeitverschiebung berücksichtigen.« Oh, lieber Gott!
Bevor Hannes das sagen konnte, was ihm zweifellos auf der Zunge lag, tauchte wieder ein Flugzeug hinterm Hügel auf, landete und kollidierte beinahe mit einem heranrollenden Bus. Es war tatsächlich unseres, und jetzt erfuhren wir auch, weshalb wir hier beinahe Wurzeln geschlagen hatten. Es ging ums Gewicht. Nein, nicht um unser eigenes, das hielt sich wohl in den üblichen Grenzen, sondern um das unseres Gepäcks. Man könne nicht, wie auf der Hinreise, die Sachen einfach zurückhalten und später hinterherschicken, hieß es, Manila sei schließlich keine kleine Insel und Germany zu weit weg. Weshalb wir überhaupt so viel mitnähmen? Hier sei es doch immer warm, und die Touristen liefen ohnehin den ganzen Tag in Badeanzügen herum. – Eine kluge Frage, über deren Beantwortung ich noch während des Fluges nachdachte. Sie war durchaus berechtigt, aber warum war dann bis auf den Pullover, sowieso nur vorsichtshalber eingepackt, meine gesamte Garderobe reif für die Waschmaschine?
Diesmal wurden wir vom Captain nicht mit Handschlag begrüßt, es gab auch keinen munteren Plausch und für Hannes keinen Platz mehr im Cockpit, da saß nämlich schon der CoPilot, was ich allerdings im Hinblick auf die vor uns liegende Gewitterfront sehr beruhigend fand. Rundherum war der Himmel zwar wolkenlos blau, doch direkt über Manila braute sich ein Unwetter zusammen. Steffi, die auf der anderen Seite des schmalen Gangs saß, beugte sich zu mir herüber. »Guck mal nach rechts, siehst du die riesige Smogwolke über der Stadt?«
»Wieso Smog? Über London hat damals auch welcher gelegen, aber das war doch mehr so eine wabernde Dunstschicht gewesen. Was sich da vorne auftürmt, ist ein BilderbuchGewitter. Ich habe zwar noch keinen erlebt, aber so ähnlich stelle ich mir einen heranziehenden Hurrikan vor!«
Es war keiner. Es war auch kein Gewitter, sondern tatsächlich Smog. Aus der Ferne nur eine riesige dicke, fast schwarze Wolke, in die man plötzlich eintaucht und es gar nicht merkt. Weder rüttelt das Flugzeug in einer Windbö, noch prasseln Regentropfen an die Scheiben, nur der blaue Himmel ist weg und natürlich die Sonne. Als wir nach der Landung über das Flugfeld zum Terminal gingen, blickte ich immer mal wieder nach oben, sah aber nur das, was im deutschen Wetterbericht als geschlossene Wolkendecke bezeichnet wird. Dort ist es ja dann auch wirklich eine, aber hier handelt es sich um Millionen Kubikmeter verdreckter Luft, die über dieser riesigen Stadt stehen bleibt und Tag für Tag von ihren Bewohnern eingeatmet wird. Jetzt bekam der Mundschutz, mit dem ich vor Wochen viele Menschen hatte herumlaufen sehen, einen ganz anderen Sinn. Ich hatte nämlich geglaubt, die Gepflogenheit der Japaner habe bereits nach hier übergegriffen, und alle Leute mit Erkältungen würden mit diesen OP-Läppchen vor Mund und Nase die Bazillenweitergabe zu vermindern suchen. Gewundert hatte mich lediglich, dass so viele Menschen einen Schnupfen hatten; bei uns niest und hustet man doch überwiegend in den Wintermonaten, und die gibt es hier gar nicht. Jetzt weiß ich es besser, nur erscheint es mir fraglich, dass diese Mulltücher überhaupt etwas nützen. Einen wirksamen Schutz würden allenfalls ABC-Masken bieten. Und heruntergesetzte, streng überwachte Abgasnormen. Und weniger Autos, die aber mit Katalysatoren, und keine brennenden Müllberge, und … und … und …
Während die anderen zwei auf unser Gepäck warteten, machte ich mich auf die Suche nach dem vorbestellten Taxi. Es stand tatsächlich da, und das wohl schon ziemlich lange, wie sich anhand der herumliegenden Zigarettenkippen ausrechnen ließ. Im Moment rauchte der Fahrer allerdings nicht, denn er schlief. Die Beine aus der geöffneten Tür hängend, die Baseballkappe halb über’m Gesicht, hockte er zusammengesunken auf seinem Sitz. Vorsichtig tippte ich ihn an, worauf er knurrend meine Hand wegschlug. Dann schien ihm jedoch aufzugehen, dass es sich entweder um eine zu unnatürlicher Größe mutierte Fliege gehandelt haben musste oder um ein generell unbekanntes Flugobjekt, jedenfalls öffnete er vorsichtig erst ein Auge, dann das andere, schoss plötzlich hoch wie ein Korken aus der Sektflasche und donnerte mit dem Kopf an die Wagendecke. »Yes, Lady?«
Die Lady verbiss sich das Lachen und wollte wissen, ob es sich hier um das bestellte Taxi für die deutschen Gäste zum internationalen Flugplatz handele. Der
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