Menschenskinder
Unterstützung finden, und wenn wir das Gepäck losgeworden sind, suchen wir uns ein anderes Taxi.«
Beinahe wäre das schon jetzt nötig geworden, denn das Fassungsvermögen des Wagens stand im umgekehrten Verhältnis zur Menge unseres Gepäcks. Endlich saßen wir alle drei zusammengepfercht auf der Rückbank, die übrigen Köfferchen, Taschen und Täschchen gleichmäßig auf den Knien verteilt, denn auf dem Beifahrersitz schaukelte einer der vom Volumen her fast mit Hannes athletischer Figur konkurrierenden Tauchrucksäcke. Jedenfalls wusste ich nach fünf Minuten, wie sich die Hühner in diesen Legebatterien fühlen, und nach zehn Minuten und der vierzehnten roten Ampel wollte ich bloß noch raus aus der Blechbüchse. Dann kam die fünfzehnte Ampel und gleich danach die Einfahrt zum Flughafen. Und dort begann das absolute Chaos!
Ein Ameisenhaufen erscheint einem flüchtigen Betrachter lediglich als unübersehbares Gewimmel, und erst, wenn man den kleinen Tierchen eine Weile zuschaut, merkt man, dass jedes weiß, was es soll und das offenbar auch tut. Kurz gesagt: Die ganze Sache hat System!
Nicht so der International Airport von Manila! Da darf – absolut unüblich – nur derjenige rein, der auch wirklich abfliegt und das anhand seines Tickets nachweisen kann. Begrüßungen ankommender Passagiere, tränenreiche Abschiedsszenen ganzer Familien, die Suche nach freien Taxis, deren Fahrer sich irgendwie zwischen haltenden Privatwagen durchschlängeln müssen und hinterher nicht mehr wissen, wer sie eigentlich gerufen hat … alles spielt sich unmittelbar vor den streng bewachten Eingangstüren ab. In der Praxis bedeutet das, man steht mit seinem ganzen Gerödel draußen, kramt nach Pass und Flugschein, reicht beides dem uniformierten Türsteher, immer bemüht, seine Siebensachen im Auge zu behalten, und wenn der Zerberus einverstanden ist, darf man weiter. Sein Gepäck muss man irgendwie durchschieben Kofferkulis gibt’s erst drinnen – aber wenn man Glück hat, hält der Uniformierte einem wenigstens die Tür auf.
Wenige Schritte dahinter wird man schon wieder angehalten wegen der Gepäckkontrolle. Klar, muss sein, aber normalerweise erst beim Einchecken und den Kleinkram später, bevor man in den jeweiligen Warteraum kommt! Nur – so etwas gibt es hier gar nicht. Es gibt auch keine Gepäckaufbewahrung, keine Restauration, nicht mal Toiletten … lediglich ein rundes Dutzend Abfertigungsschalter und mehrere Reihen orangefarbener Plastiksitze, die alle besetzt waren. »Das glaube ich einfach nicht«, murmelte Steffi, entgeistert in die überfüllte Halle starrend, »das kann doch nur ein Albtraum sein!« Dabei ahnten wir ja noch gar nichts von dem, was wir erst im Laufe der nächsten halben Stunde herausfanden.
Hannes hatte zwei Buggys geholt, und während er noch unsere Habseligkeiten darauf verteilte, studierte ich die Anzeigentafel. »Wenigstens scheinen wir pünktlich wegzukommen, an der Abflugzeit hat sich bis jetzt nichts geändert.«
»Also haben wir noch ungefähr fünf Stunden, bevor wir einchecken müssen.« Suchend sah er sich um. »Jetzt müssen wir bloß noch rauskriegen, wo wir das Gepäck loswerden, und dann schnappen wir uns das erstbeste Taxi. Und wenn der Fahrer nur Suaheli spricht, ist mir das auch wurscht, eine Kneipe finden wir bestimmt ohne ihn. Ich habe nämlich Hunger!«
Ich auch! Verständlich, es war kurz vor zwei, das Frühstück lag bereits sechs Stunden zurück und war im Hinblick auf die zu erwartende Seefahrt zumindest bei mir etwas spartanisch ausgefallen. Vorne am Strand weiß man doch nie, wie hoch weiter draußen die Wellen sind!
»Was heißt Gepäckaufbewahrung auf Englisch?«, forschte Steffi. »Ich habe nämlich keine Ahnung.«
»Sag doch einfach luggage-box«, schlug ich vor, »das ist bestimmt nicht richtig, aber ein halbwegs intelligenter Mensch wird ahnen, was du meinst. Vielleicht haben die hier sogar Schließfächer.«
»Glaube ich zwar nicht, aber ich kann’s ja mal versuchen.« Sie lief los.
»Notfalls gibt es immer noch die Zeichensprache«, rief ich hinterher, »die ist international.«
Zuerst erkundigte sie sich bei dem Mann im Overall, der die Papierkörbe leerte. Der schüttelte den Kopf. Aha, alles klar, er hatte sie nicht verstanden. Danach sprach sie einen Polizisten an, jedenfalls vermute ich, es ist einer gewesen, denn er trug ein Hemd mit Schulterklappen, eine Schirmmütze und einen amtlichen Gesichtsausdruck, doch auch er schüttelte den Kopf.
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