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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Na ja, Pech gehabt, vielleicht tat er sonst woanders Dienst und kannte sich hier gar nicht aus, immerhin war Sonntag.
    Steffi warf uns einen Hilfe suchenden Blick zu. Ich zeigte zur Gepäckkontrolle. Ein halbes Dutzend Männer stand um den Scanner herum, einer schob die einzelnen Teile aufs Band, die anderen verfolgten neugierig und häufig grinsend, was sich da so alles auf dem Bildschirm zeigte. Doch als Stefanie sie ansprach, drehten sich sofort alle Köpfe zu ihr herum. Jetzt schien auch die Verständigung zu klappen, nur begriff ich nicht, weshalb der eine Mann mit den Armen in der Luft herumruderte und immer wieder zum Ausgang zeigte Andererseits wäre es logisch, den Gepäckschalter auch von außen zugänglich zu machen. Wir wollten gerade unsere Buggys in Bewegung setzen, als Steffi schon von weitem abwinkte. Ja, was denn nun?
    »Es gibt keine!« rief sie uns entgegen, »so was haben die hier nicht!«
    Wie? Keine Möglichkeit, vorübergehend seine Koffer loszuwerden? Das kann doch wohl nicht wahr sein! Sogar auf unserem Provinzbahnhof, der zwar keine Toilette hat, aber wenigstens einen Wegweiser zur nächsten öffentlichen, kann man sein Gepäck einschließen (und wenn man Glück hat, kriegt man das Schloss später auch wieder auf).
    Jetzt hatten wir nur zwei Möglichkeiten, von denen eine so verlockend war wie die andere.
    Die erste: Wir ziehen wieder mit dem ganzen Gepäck nach draußen in der Hoffnung, ein Großraumtaxi zu finden, das sowohl uns als auch dem ganzen Ballast genügend Platz bieten würde, auf dass wir doch noch zu Stadtrundfahrt und vor allem zu einem Mittagessen kämen. Nachteil: Einer müsste immer beim Fahrer bleiben, sonst wären bei unserer Rückkehr eventuell Taxi und Koffer weg. Alternative: McDonalds Drive-In. Gibt’s hier einen?
    Die zweite: Wir fügen uns in das Unvermeidliche, suchen uns in dieser (übrigens nicht klimatisierten) Halle eine etwas ruhigere Ecke, in der uns nicht dauernd jemand auf die Füße tritt, verbarrikadieren uns hinter den beiden Buggys und versuchen, die sechs Stunden und zwanzig Minuten bis zum Abflug herumzukriegen. Auch wenn alles, was der Mensch zum Überleben braucht, nur außerhalb dieser vier Wände zu finden ist, also Toilette, Restaurant, frische Luft und vor allem Aschenbecher, denn unter diesem Mangel litt Hannes am meisten.
    No smoking! stand auf den überall angebrachten Schildern, und auf die Einhaltung dieser Verordnung wachten mit Argusaugen die Männer mit den Kehrschaufeln. Deshalb durfte Hannes auch zuerst raus, nachdem wir uns für die zweite Variante der sich bietenden Freizeitgestaltung entschieden hatten. Er griff nach Zigaretten, Feuerzeug und Geldbeutel, vielleicht gab’s da draußen eine Würstchenbude oder Ähnliches, und zog los.
    Regel Nr. 3: Tritt keine Reise in fremde Länder ohne Notverpflegung an! Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Stau auf bundesdeutschen Autobahnen wenigstens eine Würstchenbude zu erreichen, ist größer als die Chance, auf manchen Weltstadt-Terminals auch nur ein trockenes Brötchen kaufen zu können.
    Nach geraumer Zeit wurde Steffi unruhig. »Jetzt ist er schon fast eine halbe Stunde weg. Ob er das Klo nicht gefunden hat?«
    »Vielleicht raucht er auf Vorrat?«
    »Das bringt doch nichts. Man kann ja auch nicht auf Vorrat schlafen.«
    Reiner Zufall war’s, dass Stefanie ihren Mann in dem Gewimmel erspähte. Oder es war seine Stimme, denn wenn er sie mal richtig erhebt, trägt sie ziemlich weit. Jedenfalls sahen wir ihn vor dem Eingang gestikulieren, wo er sich mit zwei Uniformierten herumstritt, weil sie ihm offenbar den Zutritt verwehrten.
    »Ich weiß gar nicht, ob ich mir jetzt wünschen soll, dass die Englisch verstehen«, überlegte Steffi, »manchmal kann Hannes ziemlich unhöflich werden!«
    »Ach was, so viele englische Schimpfwörter kennt er ja gar nicht!«
    Und dann kam ihr die Erleuchtung! »Na klar, er kommt nicht wieder rein! Die lassen doch nur Leute mit Tickets durch!« Sie griff nach den Reiseunterlagen und rannte los. Und weil sie den Pass vergessen hatte, rannte ich hinterher.
    Auf dem Rückweg mussten wir alle drei wieder am Scanner vorbei und wurden erneut abgetastet.
    Jetzt waren Steffi und ich dran. Hannes hatte uns genau beschrieben, wo wir was finden würden. Zuerst die Toiletten. Erst nach links, und dann irgendwo da hinten. Anschließend zur Nahrungsaufnahme, da boten sich zwei Möglichkeiten: Eine Art Bahnhofs-Wartesaal 3. Klasse, vorwiegend von Einheimischen frequentiert

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