Menschenteufel
-Spuren Dragan K.s. Sie belegten einen direkten
Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ereignissen.
Kein Wort verlor Doreen über Jetmir Bashtrin. Noch konnten ihm
keinerlei Verbindungen zu den anderen Tätern nachgewiesen werden. Am ehesten
hofften die Ermittler auf ein Geständnis Karelevics und auf Serena Tognazzis
Arbeit. Vielleicht entdeckte sie Beziehungen zwischen Unternehmen aus Bashtrins
verschachteltem Imperium und jenen Briefkastenfirmen, von denen die wechselnden
Webadressen mit der Kinderhändlerseite betrieben worden waren. Selbst dann
würde es schwierig sein, Bashtrin zur Verantwortung zu ziehen. Laut Auskunft
seines Sekretariats war er auf Geschäftsreise im Ausland, die ihn länger
beanspruchen würde.
In Österreich konnten die Verbrecher auf Martin Brams gut
funktionierendem Modell aufbauen. Allein in der Alpenrepublik waren bereits
über vierzig mutmaßliche Kunden ausgeforscht. Darunter befanden sich nach
ersten Informationen neben dem Staatsanwalt auch Anwälte, Ärzte, Unternehmer,
Manager, Geistliche und Künstler. Gegen einige waren schon früher Vorwürfe laut
geworden. Dank ihrer Triebgenossen in der Justiz war es jedoch bislang nicht
ein Mal zu Anklagen gekommen. Über Jahrzehnte hatten drei Staatsanwälte die
Akten an sich gezogen und verschwinden lassen, und die Ermittlungen waren
versickert. Einer von ihnen war bereits verstorben, der zweite in Pension, er
würde wegen Verjährung unbehelligt davonkommen. Nur Holtenstein saß in
Untersuchungshaft.
Insgesamt waren an der Operation über dreißig verschiedene
Polizeiabteilungen aus sieben Ländern beteiligt. Überall wurden die
Untersuchungen auf Hochtouren weitergeführt. In Österreich ermittelten neben
den für Kindesmisshandlung und Kinderpornographie zuständigen Abteilungen
weiterhin die Mordkommission sowie die Wirtschaftspolizei.
Die Aufarbeitung der Fälle würde Jahre dauern. Mit weiteren
brisanten Enthüllungen durfte gerechnet werden.
Nur andeuten konnte Doreen die mögliche Vorgeschichte. Noch gab es
zu wenig handfeste Beweise für die Existenz des seit dem zweiten Weltkrieg
fortlaufenden Systems Mandtner-Köstner-Rother-Bram-Karelevic-Bashtrin. Petzold
wusste, dass die Menge an Indizien erst in den nächsten Monaten zu einer
einigermaßen stabilen Kette zusammengefügt werden konnte.
Schließlich beschrieb Doreen noch jenen Fund, den die Spurensucher
im Garten des österreichischen Kinderverstecks gemacht hatten. Am Rand der
Umgrenzungsmauer waren sie auf ein frisches Grab gestoßen. Darin wurde der
Leichnam eines Mannes gefunden. Er war wenige Stunden davor an einer nicht
behandelten Stichverletzung in der Leistengegend gestorben und schnell
verscharrt worden.
Petzold spürte einen Stich in der Brust, der nicht von ihren
verletzten Rippen herrührte. Jener Mann, der sie angegriffen hatte, war an den
Folgen ihrer Skalpellattacke gestorben. Die Obduktion hatte ergeben, dass sie
die Schlagader angeritzt und den Darm perforiert hatte. Anständige medizinische
Versorgung hätte ihm das Leben gerettet. Er hatte keine aufgesucht oder war
gehindert worden. Seinetwegen hatte Petzold die schlimmsten Stunden ihres
Lebens durchgemacht. Trotzdem spürte sie Mitleid. Er musste unter Höllenqualen
gestorben sein. Niemand hatte das verdient. Zum ersten Mal hatte sie einen
Menschen getötet. Hoffentlich war es das letzte Mal gewesen.
Sie hatte ihren dritten Kaffee getrunken, als das Telefon klingelte.
Oberinspektor Freunds Nummer. Eigentlich hatte sie heute frei. Sie nahm das
Gespräch trotzdem an.
»Haben Sie in einer halben Stunde schon etwas vor?«
»Duschen, lesen, spazieren gehen, Freundinnen treffen …«
»Dann fahre ich eben allein.« Seine Stimme klang euphorisiert.
»Was ist denn jetzt schon wieder passiert?«
Feierlich erklärte er: »Ich habe Gerwald Köstner nicht zu viel
versprochen.«
Mit gebeugtem Rücken stand Köstner neben dem Bett und knöpfte
sein Hemd zu. Er sah sehr alt aus. Eine betagte Dame legte seinen Pyjama
zusammen und steckte ihn in den kleinen Koffer auf der Matratze. Die
Haushälterin, nahm Freund an. Auf dem Nachtkästchen lag eine Zeitung mit dem
Bericht von Inspektor Petzolds Reporterfreundin.
Freund war exzellenter Laune. Er hatte zwei Nächte lang geschlafen,
Frau Feiler hatte sich seit ihrer ersten Stunde in Freund’schen Diensten als
Perle erwiesen, und er würde gar niemand anderen mehr zur Vorstellung einladen,
Claudia begann sich auch an sie zu gewöhnen, und die Temperaturen
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