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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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Bildmitte ist Ihr Vater. Leider haben wir eine traurige Nachricht für
Sie. Alvin Tomlins starb 1948 in Wien. Sein Grab liegt in Wilmington, North
Carolina.«
    In Shorts Miene beobachtete Petzold den Kampf seiner Gefühle. So
plötzlich er seinen Vater gefunden hatte, verlor er ihn wieder. Sie stellte
sich ihn an einem alten Soldatengrab auf einem gepflegten Friedhof der Ostküste
vor. Vielleicht würde er das Grab eines Tages besuchen. Blumen niederlegen, mit
gesenktem Haupt Minuten der Andacht verbringen.
    Short nahm die Fotografie auf und betrachtete sie lange.
    »Ich sehe ihm ähnlich, finden Sie nicht?«, flüsterte er schließlich.
    »Ja, das tun Sie.«
    Wahrscheinlich hatte die Ähnlichkeit dieser Gesichter auch Gerwald
Köstner aus der Fassung gebracht, dachte Petzold.
    »Weiß man, wie er starb?«
    »Er wurde ermordet. Der Täter wurde nie gefunden. Seit ein paar
Tagen gibt es einen Verdächtigen, Gerwald Köstner. Aber vermutlich wird man ihm
nichts mehr endgültig beweisen können.«
    Short ließ seinen Kopf ins Kissen zurückfallen. »Dann kann ich also
zurück nach Hause fahren.«
    Dreimal täglich hatte Petzold während der vergangenen Tage ihre
Freundin im Labor angerufen. Vorgestern hatte sie das ersehnte Ergebnis endlich
erfahren. Daraufhin hatte Petzold einige Telefonate und Besuche absolviert.
    »Noch nicht«, sagte Petzold und öffnete die Tür. »Ich möchte Ihnen
jemanden vorstellen.«
    Mit ausgestrecktem Arm bat sie die alte Frau herein.
    Ihre Frisur saß wie immer perfekt. Dem Anlass entsprechend trug sie
ein feines Kleid mit großen Blumen und dezenten Perlenschmuck. Nur die
Handtasche wirkte etwas zu groß für ihren dünnen Arm. Vorsichtig betrat sie den
Raum. Als ihr Blick den von Colin Short traf, blieb sie wie versteinert stehen.
    Petzold hatte sich vorab versichert. Das Englisch der alten Dame war
gut genug, um eine einfache Unterhaltung zu führen. Deshalb blieb sie in der
fremden Sprache. Sie redete langsam und in einfachen Worten.
    »Darf ich vorstellen, das ist Emilie Wildschek. Nehmen Sie das Bild
ruhig wieder in die Hand, Doktor Short. Sie ist die dritte Frau von links. Frau
Wildschek, das ist Doktor Colin Short aus Boston, geboren im November 1948. Er
fand das Bild im Nachlass seiner Mutter. Erst zu diesem Zeitpunkt erfuhr er,
dass sie eigentlich seine Adoptivmutter gewesen war.«
    Petzold spürte Emilie Wildscheks Ellbogen in ihrer Hand zittern. Mit
sanftem Druck zwang sie die alte Frau bis ans Bett und in den freien Stuhl.
Noch immer saß Wildschek, als wäre sie aus Holz. Seit ihrem Eintreten hatte sie
ihre Augen nicht von Short gelassen. Ihre mageren Hände verkrampften sich in
einem Knoten.
    »Sie werden verzeihen«, fuhr Petzold fort, »dass ich einen meiner
Besuche bei Ihnen dazu missbrauchte, eines Ihrer Haare mitgehen zu lassen. Wir
haben die DNS im Labor mit jener von Colin Short
verglichen.«
    Petzold fasste Wildscheks Hand, um ihre Starre ein wenig zu lockern.
Colin Short kaute schon seit Beginn ihrer Erklärungen zunehmend nervöser auf
seiner Unterlippe.
    »Der Gentest ist eindeutig«, sagte Petzold. »Doktor Colin Short ist
Ihr Sohn.«
    Lia Petzold wusste nicht, welche Reaktion sie erwartet hatte.
Verstohlen beobachtete sie Emilie Wildschek. Ohne Zögern fasste die alte Frau
Colin Shorts Hand und ließ sie nicht mehr los. Schweigend erhob sie sich und
setzte sich auf die Bettkante. Über die Wangen des Professors zogen zwei
glänzende Spuren.
    Leise erhob sich Petzold.
    »Die beiden haben jetzt wohl viel zu besprechen«, wisperte sie
Shackleton zu.
    Im Aufstehen flüsterte er zurück: »Ich habe noch eine kleine
Überraschung.«
    Am Fuß des Bettes blieb er kurz stehen. Neben die alte Hand Emilie
Wildscheks legte er ein abgewetztes Samtetui, aus dem es golden glänzte.
    Petzold stockte der Atem.
    »Ein Geschenk des amerikanischen Armeearchivs«, erklärte Shackleton.
Mit einem Lächeln schob er die verdutzte Petzold, deren Blick sich von dem Ring
nicht losreißen konnte, aus dem Raum und schloss die Tür.
    »Haben Sie Lust, mit mir abendessen zu gehen?«
    Und ob Petzold hatte.

Dank
    Bei meinen Recherchen unterstützten mich äußerst hilfsbereit
Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen des österreichischen
Bundeskriminalamts und der Wiener Kriminalpolizei. Ihnen gilt an dieser Stelle
mein Dank, und sie mögen verzeihen, dass ich mich der Dramaturgie halber nicht
immer exakt an die von ihnen geschilderten Tatsachen und Abläufe des
Polizeialltags halte, auch wenn

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