Menschenteufel
es
eben mit kackbrauner Farbe unkenntlich machten. Der ursprüngliche Besitzer
hatte das Rad daraufhin nicht mehr haben wollen, hatte er sich dieses edle Teil
doch in einem schneidigen Metallicblau gekauft. So war es auf der Wache
zurückgeblieben. Seither fuhr es Valentina. Anfangs hatte sie daran gedacht,
die beschissene Farbe runterzukratzen und den Rahmen sandstrahlen und neu
lackieren zu lassen. Aber dann hatte sie sich doch dagegen entschieden. So
würde es ihr niemand stehlen. Und je länger sie es fuhr, desto mehr gewöhnte
sie sich nicht nur an das Kackbraun, sie freute sich sogar daran. Sie fand,
dass das Rad zu ihr passte. Alle lachten darüber, unterschätzten es, aber der
Drahtesel war ein verkappter Ferrari. So wie sie selbst auch. Valentina wusste,
wie gut sie aussah, aber sie trug Trekking- und Armeeklamotten, die ihre Kurven
verbargen, scherte sich einen feuchten Dreck, ob ihre Frisur saß, und verweigerte
sich vehement Pumps, tief ausgeschnittenen Kleidern, kurzen Röcken und
Schminke. Ihre Eitelkeit lag in einem Mega-Understatement, und das ließ sie
nicht nur bei den männlichen Kollegen arrogant wirken.
Kurz vor dem Schottentor musste sie scharf bremsen. Valentina
fluchte über die ferngesteuerte Touristengruppe, riss den Lenker herum und fuhr
ein Stück auf der Ringstraße entlang, ehe sie wieder den Radweg nahm.
Sie überlegte kurz, welche Route sie einschlagen sollte, und
entschied sich dann, am Augarten vorbei die Floridsdorfer Brücke anzusteuern
und sich dem starken Autoverkehr der Brünner Straße zu stellen.
Sie umkurvte die Straßenbahnlinie vor der Brücke und schaltete
hinunter, um beim Anstieg den Fluss nicht zu verlieren. Eine Melodie kam ihr in
den Sinn, sie begann sie zu summen und setzte Wörter darauf:
»Von der Floridsdorfer Brücke,
da klafft mir eine Lücke,
hab ich ihn nun erstochen,
oder hab ich nur erbrochen
all den Fusel, den ich soff,
der mir aus dem Maule troff,
war es nur aus Rache,
längst abgemachte Sache?«
Valentina lachte über den Text, er gefiel ihr. Sie würde mit ihm
und der Melodie experimentieren, bis sie bei Zirner wäre. Am Abend würde sie
ihn dann niederschreiben. Es könnte der Refrain einer neuen Ballade sein. Er
klang etwas nach Moritat, aber wenn man harte Slash-Akkorde darunterlegen
würde, hätte es Charme.
* * *
Zirner blickte ungeduldig auf seine Armbanduhr. Valentina hatte
gesagt, in einer halben Stunde sei sie hier. Die war längst vorbei.
Ihm erzählte der Tatort nicht viel. Oder sollte er besser »Fundort«
sagen? Denn hier war der Schädel nicht abgetrennt, die Frau nicht ermordet
worden, so viel konnte man auf den ersten Blick schon erkennen. Es gab keine
Anzeichen von Blut oder Spuren eines Kampfes. Auch die restlichen Teile des Körpers
waren nirgendwo zu finden. Das Zimmer hier glich eher einem kargen
Ausstellungsraum. Die anderen beiden Köpfe waren in ähnlich verlassenen, kahlen
Räumen ausgestellt worden.
Valentina war bereits eine Viertelstunde über der Zeit, das war er
von ihr nicht gewohnt. Zirner nahm sein Handy und wählte ihre Nummer an. Es
klingelte direkt hinter ihm. »Hells Bells« von AC/DC hämmerte
in sein Ohr. Er drehte sich um.
»Entschuldige die Verspätung«, sagte Valentina kurz und reichte ihm
die Hand zum Gruß.
»Neues Gewehr?«, fragte Zirner und deutete mit dem Kinn in Richtung
Gitarrenrucksack, den Valentina noch immer auf dem Rücken trug.
»Schnellfeuerwaffe. Damit hänge ich sogar Malmsteen ab«, antwortete
sie.
»Wäre schön, wenn wir damit auch schneller als unser Täter wären.
Willst du deine Bazooka erst abstellen?«
Valentina sah sich um und schüttelte dann den Kopf. »Nein, am Ende
verwische ich noch eine Spur damit.«
»Du hast doch nur Angst, dass sie dir jemand klaut.«
»Richtig. Wem kann ich hier schon trauen?«
»Mir.«
»Ich behalte sie trotzdem auf.«
»Dann komm mit, ich zeig dir etwas, das dir sehr bekannt vorkommen
wird.«
Valentina folgte Zirner in den hinteren Raum des Gebäudes, wo sich
noch immer der abgesägte Frauenschädel befand.
»Die Spurensicherung ist schon durch. Sie warten nur darauf, dass
sie den Kopf mitnehmen können.«
Valentina erkannte im Unterton Zirners, dass die Kollegen bereits
ungeduldig darauf warteten, in die Mittagspause zu verschwinden.
»Ich beeil mich«, erwiderte sie leicht genervt über die Beamtenmentalität
ihrer Kollegen. Zirner war eine Ausnahme, obwohl auch er sich seiner Pension
entgegensehnte. Aber auf ihn konnte sie
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