Menschliche Einzelteile (German Edition)
eine
keimfreie Umgebung bei einer Operation hatte selbst Sören
gedacht. Schließlich hatte er – gemeinsam mit seiner
Mutter – genug Arzt-Serien im Fernsehen angeschaut.
„ Keine
Chance, Mann“, keifte Ewald. „Du schnippelst nicht ganz
alleine mit deiner Alten am Berthold herum. Das kannst du
vergessen!“
Der
Doktor schenkte Ewald wieder eins von diesen Grinsen. Von denen
schien er ein ganzes Fass voll zu haben. „Dann, guter Mann,
wird ihr Freund sterben. Er wird sich eine Infektion holen. Oder ich
werde nervös und durchtrenne irgendetwas Lebensnotwendiges. Und
dann wird er tot sein.“ Der Doktor zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht passiert aber auch überhaupt nichts. Kann
auch sein. Das ist aber ein immenses Risiko, müssen sie wissen.
Gerade die Infektionsgefahr ist extrem hoch in solchen Fällen.
Dieses Risiko werde ich nicht eingehen. Das ist meine Pflicht als
Arzt. Und sie können mich nicht dazu zwingen.“
Ewald
trat einen Schritt vor. „Wetten doch?“
„ Ach
ja?“ Das Grinsen verschwand zu keiner Sekunde aus dem Gesicht
des Doktors. „Und was wollen Sie tun? Mich verprügeln?
Auf mich schießen? Dann werde ich überhaupt nicht mehr
operieren können. Oder wollen sie meine Frau verprügeln?
Oder unsere Kleine? Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß
dabei. Bis sie mich mit solchen Methoden dazu bringen, die Operation
zu Ihren Bedingungen durchzuführen, ist ihr Freund hier schon
lange verblutet. Ich finde, das wäre wirklich schade, oder
nicht?“
Ewald
machte noch einen Schritt nach vorne und hob seine MP. In diesem
Moment fuhr Remo dazwischen. „Schluss jetzt! Verbibbsch
nochmal, was soll der Scheiß? Ewald, der Mann ist Arzt. Der
weiß, wovon er redet. Wenn der sagt, der Berthold könnte
draufgehen, dann ist das so. Und da machen wir nicht lange rum!“
Ewald
drehte sich zu Remo um. „Und wer sagt, dass du jetzt hier zu
bestimmen hast?“
„ Ich“,
donnerte der Schinken.
Ewald
drehte sich wieder zum Doktor um. „Okay“, sagte er
kleinlaut.
„ Gut“,
sagte Remo. „Aber Doc, sie operieren alleine. Und das passiert
in einem Zimmer, in dem es kein Telefon gibt. Ihre Alte bleibt hier,
klar?“
Herr
und Frau Doktor wechselten einen Blick. Das leichte Nicken der Dame
entging Sören nicht.
„ Gut,
einverstanden“, sagte der Doktor. „Dann suchen wir uns
einen geeigneten Platz für die Operation.“
Sören
schaute von der Kleinen zu Frau Doktor und wieder zurück. Auch
Jessy streifte er mit seinem Blick. Mehrfach. Himmel, zwei heiße
und eine zumindest lauwarme Frau, direkt in Reichweite – und
er saß hier und musste sich von diesen harten Jungs zum Deppen
machen lassen. Und nun spukten ihm auch noch einige medizinische
Fragen im Kopf herum, mit denen er vor den Damen wirklich hätte
glänzen können. Doch wenn er etwas sagte, dann würde
ihm dieser Ewald ganz sicher wieder ein Ding verpassen. Verflucht,
was sollte er nur tun?
Das
Beste war, er blieb unauffällig, wie immer. Ja, auf diese Weise
würde er seine Überlebenschancen nicht nur wahren, sondern
diese auch noch ausbauen. Zumindest hoffte er das. Er durfte nur
nichts Dummes von sich geben.
Stattdessen
sagte er: „Aber sie haben doch gar kein Operationsbesteck.“
Oh
Scheiße, warum hatte er das getan? Die würden ihn
lynchen, mindestens!
Doch
der Doktor drehte sich nur um und meine: „Stimmt. Gut
mitgedacht, junger Mann. Ein paar Klingen brauche ich natürlich.
Ich kann ja nicht mit bloßen Händen an dem Mann
herumwerkeln, nicht wahr?“
„ Oh
Mann“, maulte der Schinken, „ich hoffe, Ihr habt solches
Zeug hier irgendwo gebunkert. So allmählich wird der Kerl hier
nämlich ziemlich schwer. Ich darf nur fünf Kilo heben. Ich
hab's nämlich an der Bandscheibe.“
Der
Doktor überlegte. „An der Bandscheibe? Keine Sorge, die
schneide ich ihnen heute Nacht auch noch raus, wenn es sein muss.
Aber um ihre Frage zu beantworten: Nein, mein OP-Besteck ist
natürlich in der Klinik. Ich werde improvisieren müssen.
In der Küche müssten wir alles Notwendige finden.“
„ Ja,
okay.“ Remo wollte sich in Bewegung setzen. „Das werden
wir dann schon sehen. Jetzt gucken wir erstmal, dass wir ein Zimmer
zum OP umfunktionieren. Gehen wir.“
„ Moment!“
Verdammt,
da hatte Sören doch schon wieder einfach losgequatscht. Der
Erfolg schien ihn zu beflügeln.
„ Das
Besteck muss erst noch desinfiziert werden, glaube ich. Das kann man
mit kochendem Wasser machen.“
Der
Doktor nickte. „Das ist richtig, doch
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