Menschliche Einzelteile (German Edition)
drängte.
„Mann, du glaubst doch nicht, dass ich diese Pfeife nach unten
schicke, um Messer zu holen. Du hast sie wohl nicht alle! Da können
wir uns doch gleich gegenseitig abknallen. Ich gehe!“
Ewald
verschwand nach unten. Berthold summte eine Melodie vor sich hin,
die er offenbar aus dem Stegreif improvisierte. Keine einzige Note
passte zur vorhergegangenen.
Sören
hatte den Eindruck, von diesem Remo drohe ihm weniger große
Gefahr. Deswegen wagte er es, einen Ton zu sagen: „Mann, der
ist vielleicht weggetreten.“
Remo
nickte. „Ja. Der hat ganz schön heftiges Zeug bekommen.
Der Buddha hat diese Tropfen auf sich selbst abgestimmt. Und der
verträgt schon einen ganz schönen Hammer.“
Sören
wagte sich noch ein Stück vor: „Wieso nennt Ihr diesen
Kerl eigentlich 'Buddha'?“
„ Weil
er total cool daneben ist. Der ist halt wie ein Buddha, Mann. Der
schwebt über allem.“
Sören
hatte beinahe schon das Gefühl, so etwas wie eine normale
Konversation zu führen, als Ewald mit viel Geklapper und
Fluchen zurückkehrte.
„ Scheißdreck,
verdammter, ich hätte mich beinahe in diesem scheiß Haus
verlaufen!“
Sören
wunderte sich, denn von hier aus hätte er selbst mit
verbundenen Augen – oder einem vollgekotzten Kissenbezug über
dem Kopf – zur Küche gefunden. Doch er sagte besser
nichts.
Ewald
ließ mit großem Gerassel einen Haufen Besteck auf das
kleine Sofa unter dem Fenster fallen. Er hatte offenbar alle
Schubladen geplündert.
„ Reicht
das?“
Der
Doktor schaute sich die Bestecke an. Lauter Messer, einige Gabeln,
eine Grillzange und sogar ein Hackebeil. „Ja, ich denke, damit
werde ich arbeiten können.“ Er klatschte in die Hände.
„So, meine Herren, dann lassen sie uns mal alleine, damit ich
beginnen kann.“
Sören
wollte schon das Feld räumen und auch Remo machte Anstalten,
Kurs auf die Tür zu nehmen, doch Ewald musste wieder einmal
quer schießen.
„ Also,
ich würde doch lieber hier bleiben.“
„ Nein,
das kann ich nicht verantworten.“ Der Arzt trat mit
ausgestreckten Armen einen Schritt auf die Männer zu. „Ich
muss hier die Umgebung so keimfrei wie möglich halten.
Abgesehen davon wird es bei der OP ziemlich blutig zugehen und der
Eingriff wird extrem schmerzhaft sein. Das Letzte, was ich brauchen
kann, ist dann ein Mann mit einer Schusswaffe, der bei all dem Blut
und dem Geschrei nervös werden könnte. Also bitte, lassen
sie mich das hier zu Ende bringen, damit wir den Herren auf dem
Tisch wieder auf die Beine bekommen.“
Ewald
zögerte. „Ich weiß nicht, Mann. Wenn du hier
irgendeine miese Nummer abziehen willst …“
Der
Doktor trat noch einen Schritt auf Ewald zu und schenkte diesem
eines dieser Grinsen, mit denen Sören noch immer nicht zurecht
kam.
„ Vertrauen
sie mir“, sagte der Doktor. „Ich bin Arzt.“
12. Cineasten unter sich
Sören
schaffte es, von Remo und Ewald nach unten eskortiert zu werden,
ohne auch nur einen einzigen Schlag oder Tritt zu kassieren –
was angesichts der Geschehnisse der letzten Stunde schon an ein
kleines Wunder grenzte. Sören wertete dies als Fortschritt.
Wenn es so weiter ging, dann dachten die vielleicht irgendwann nicht
mehr an ihn.
Im
Wohnzimmer angekommen, entdeckte Sören sofort die Kleine. Sie
saß auf dem Sofa, sah sehr verloren aus und zitterte noch
immer wie ein Presslufthammer. Sören nahm sofort Kurs auf sie.
Frau Doktor thronte auf einem der Stühle am Esstisch und übte
ebenfalls eine magische Anziehungskraft auf Sören aus, doch
einerseits hätte er auf dem Stuhl keinen Platz mehr gehabt und
andererseits wollte er sich nicht mit Herrn Doktor von Brechtow
anlegen, indem er dessen Alte anbaggerte – insbesondere nicht,
wo dieser nun mit Messern herumhantierte.
Also
klemmte er sich neben die Kleine. Vorerst achtete er noch darauf,
das Mädchen nicht zu berühren. Einen weiteren Anfall
wollte Sören unbedingt vermeiden, andernfalls würde Ewald
der Kleinen vermutlich eine Kugel durch den Kopf schießen, um
sie zum Schweigen zu bringen.
Ewald
war ohnehin gerade auf Drehzahl. „Verdammt nochmal, da zieht
dieser Ossi dem Berthold doch einfach die Maske runter.“
„ Na
und?“, sagt Jessy. „Ich hab doch auch keine auf.“
„ Ja
du!“ Ewald wirkte, als wolle er Jessy an die Gurgel gehen. „Du
und der Buddha, ihr seid aber auch sowas von bescheuert!“
Remo
schob sich zwischen die beiden. „Vorsicht, Ewald.“ Remo
sprach ganz leise.
„ Ja,
komm mir nicht mit 'Vorsicht, Ewald'! Die
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