Menschliche Einzelteile (German Edition)
er musste in diesem Moment einfach auch nicken.
Als die Kleine ihren Kopf wieder hob, schielte sie und ihr lief Blut
aus der Nase. Aber immerhin hatte sie mit dem Gekreische aufgehört.
„ So“,
meinte der Doktor aufgeräumt, „dann wollen wir uns den
Patienten einmal ansehen.“
Sören
konnte die Kleine nur anstarren. Sie starrte zurück, doch sie
gaffte geradewegs durch Sören hindurch. Zumindest mit dem
linken Auge. Das rechte schielte auswärts und war auf die
Deckenlampe gerichtet.
Was
war das hier für eine Familie? Diese Gangster führten sich
schon übel auf, doch das, was der Herr Doktor gerade abgezogen
hatte, toppte beinahe alles, was die Räuberbande bislang
veranstaltet hatte. Himmel, und Sören hatte schon gedacht, beim
Eisenonkel in übler Gesellschaft zu sein!
10. Medizinische Fachsimpelei
Remo
nahm wieder das Heft in die Hand.
„ Also,
Herr Doktor, wie geht es nun weiter?“
„ Ja,
das ist eine gute Frage“, sagte der Arzt und warf einen Blick
auf Berthold, der inzwischen wie ein Sack Bohnen zwischen dem
Schinken und dem Typen aus Frankfurt hing.
„ Was
ist denn mit dem Mann passiert?“
Sofort
drängte sich Detlev nach vorne. „Also, das war echt die
Härte, wissen Sie? Wir wollten ja eigentlich gar nix Böses.
Einfach nur bisschen Kohle abstauben. Aber dann hat dieser Bekloppte
eine Riesenkanone rausgezogen und dem Berthold in den Sack
geschossen. Bumm. Einfach so.“
„ Meine
Fresse, Depplev!“, fuhr Remo dazwischen. „Bist du
bescheuert, oder was? Es geht niemanden was an, wie das passiert
ist.“ Dann, an den Doktor gewandt: „Sie merken sich nur
die Kurzform: Dem hat jemand mit einer Riesenkanone in den Sack
geschossen, das ist passiert. Den Rest vergessen Sie wieder.“
„ Was
anderes hab' ich doch gar nicht gesagt!“, protestierte Detlev.
„ Ja,
aber das ganze Drumherum“, maulte Ewald.
„ Ist
doch jetzt scheißegal“, fauchte Remo. „Also, sie
sind der Arzt. Was ist nun? Wo sollen wir unseren Kumpel ablegen?
Kriegen sie das überhaupt hin?“
Der
Doktor warf Remo wieder dieses Grinsen zu, das Sören vorhin
schon irritiert hatte. „Aber selbstverständlich bekomme
ich das hin. Sie können mir vertrauen. Ich bin Arzt. Wir müssen
uns nur einen Ort suchen, an dem ich ungestört arbeiten kann.“
Der
Schinken schüttelte den Kopf. „Wie jetzt, ungestört
arbeiten? Glaubst du etwa, wir lassen dich mit dem Berthold alleine,
damit du in aller Ruhe den Bullen ein Signal geben kannst, oder
was?“
Der
Doktor trat an den Schinken heran. „Junger Mann“, sagte
er, „es mag ihrem ungeschulten Auge entgangen sein, doch bei
diesem Patienten liegt eine Verletzung der Krovutal-Vene vor.
Außerdem ist das Gewebe rund um das Kartesium geschädigt,
soweit ich das von hier aus sehen kann. Das ist keine Sache, die der
Onkel Doktor mit zwei oder drei Pflastern mal schnell zwischendurch
erledigen kann. Außerdem gilt es, die Klöten des armen
Burschen zu retten.“
„ Klöten?“,
echote Jessy. „Heißt das nicht 'Hoden'?“
„ Kann
man auch sagen“, mischte sich Frau Doktor ein. „'Klöten'
ist aber der medizinisch gängige Begriff unter Chirurgen, nicht
wahr, Schatz?“
Doktor
von Brechtow nickte. „Das ist korrekt. Wir Chirurgen müssen
auf die Lautmalerei achten. Im OP darf es keinesfalls zu
Missverständnissen kommen. Die könnten tödlich sein –
oder man findet plötzlich ein Organ an einer Stelle wieder, wo
es nicht hingehört. Deswegen sagen wir Chirurgen 'Klöten'
zu den Eiern. Aber wie dem auch sei – um diesen Mann zu
operieren und bei seinen Klöten zu retten, was noch zu retten
ist, brauche ich absolute Ruhe.“
Frau
Doktor drängte sich ein Stück nach vorne, doch Ewald
stoppte sie mit vorgehaltener Maschinenpistole. „Schatz, denk
auch an die Bazillen“, rief sie ihrem Mann über Ewalds
Schulter hinweg zu. „Wir wollen doch keine Entzündung
riskieren, nicht wahr?“
„ Stimmt!“
Der Doktor griff den Faden auf wie ein Fisch, der nach dem Köder
eines Anglers schnappt. „Eine Infektion ist jetzt schon
ziemlich wahrscheinlich. Der Mann lag ja mit seinen Glocken …
also, mit seinen Klöten, meine ich, dauernd im Dreck, nehme ich
mal an. Wenn ich gleich an ihm herumschneide, dann könnten noch
mehr Bakterien drankommen. Ich muss das also alles so steril wie
möglich halten. Jeder zusätzliche Mann im Raum wäre
da ein Sicherheitsrisiko. Nur meine Frau und ich, sonst niemand!“
Auf
Sören machte der Doc keinen allzu kompetenten Eindruck. An
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