Menschliche Einzelteile (German Edition)
wenig entschlossen. „Hm,
wir halten uns die meiste Zeit über unten auf. Also, schauen
wir doch mal …“ Doktor von Brechtow warf einen Blick
durch die Doppelflügeltür. „Äh, nein. Das
Arbeitszimmer ist nicht geeignet. Kein Platz zum Operieren. Schauen
wir doch mal dort links nach.“
Der
Tross setzte sich in Bewegung. Doktor von Brechtow markierte den
Leithammel, Remo den Treiber, Ewald den Hirtenhund und der Rest die
Maultiere. Vom Treppenvorraum aus gelangten sie in ein komplett
eingerichtetes Zimmer. Der Dachschräge nach zu urteilen musste
es sich bei der Decke um einen der Erker handeln, die Sören von
draußen gesehen hatte. An der Stirnseite des Zimmers sah Sören
eine weitere Tür – ein Wandschrank. Und dann gab es noch
eine Tür, die nach rechts abzweigte.
„ Perfekt“,
sagte Doktor von Brechtow. „Da, der Tisch. Dort können
wir ihn hinlegen. Der hat die ideale Höhe.“
Sören
schaffte es noch, Berthold bis zum Tisch zu schleifen. Als er den
Körper dann in die Höhe wuchten wollte, um ihn
anschließend auf die Tischplatte zu ziehen, klappte er glatt
zusammen. Seine Knie verwandelten sich in Müsli, ohne vorher
einen Warnschuss abzufeuern.
„ Blöder
Arsch“, knurrte der Schinken und wuchtete Berthold das letzte
Stück alleine auf den Tisch. Genau diesen Augenblick suchte
sich Berthold aus, um sein Bewusstsein wieder anzuknipsen. Er sagte:
„Hall-lall-lall-lall!“, während er mit dem Rücken
über die Tischkante schubbelte. Dann lag Berthold still.
„ Ich
gehe mal wieder nach unten“, sagte der Schinken. „Nicht,
dass dieser Depplev da unten Scheiße baut.“
„ Ist
gut.“ Remo beugte sich über Berthold. „Mann,
Berthold, Alter … wir haben dich zum Doc gebracht. Wir haben
dich zum Chirurgen gebracht. Zu diesem Doktor von Brechtow. Der
flickt dich wieder zusammen, Mann.“
Berthold
schaute sich um, als sei er auf einem fremden Planeten gelandet und
genieße dort die Landschaft. „Blau … klump“,
sagte er.
„ Mann,
du kriegst mit der beschissenen Maske ja überhaupt keine Luft“,
sagte Remo und packte Bertholds Strumpfmaske.
„ Nicht!“,
brüllte Ewald, aber es war schon zu spät. Remo zog den
Strumpf von Bertholds Kopf.
„ Oh
Mann, du Volldepp“, zeterte Ewald los, „jetzt sind wir
voll verratzt! Jetzt kennt der Typ dem Berthold sein Gesicht. Jetzt
können wir einpacken, Alter!“
Remo
brüllte zurück: „Leck mich doch am Arsch, du
Hohlroller! Schau dich doch mal um! Was meinst du, wie schwer es
wohl wird, den Berthold zu identifizieren, hä? Der hat ab
sofort ein unveränderliches Merkmal: Abgeschossene Eier.“
„ Klöten“,
warf Doktor von Brechtow ein.
„ Meinetwegen
auch Klöten. Den erkennt man in Zukunft ohnehin auf den ersten
Blick – falls er das hier überhaupt überlebt. Und
damit er überleben kann, muss er erstmal wieder atmen können.
Und das kann er jetzt. Fertig, aus!“
„ Tja.“
Doktor von Brechtow schaute sich Berthold an. „Sobald sie den
Raum verlassen haben, werde ich den Patienten untersuchen.“
Berthold
schaute den Doktor mit einem verklärten Grinsen an. „Ah,
hallo, der böse Mann. Ja ja, ich sehe schon. Wer sind sie
denn?“
„ Das
ist der Doc“, sagte Ewald.
Berthold
schüttelte den Kopf, immer wieder, wie ein kleines Kind. Dabei
sang er: „Nein-nein-nein-nein. Ist er nicht. Ich kenne den
Doc. Der war öfter auf ein Bier bei mir, Bier bei mir, Bier bei
mir. Oder zwei Bier. Oder vier oder dreiundzwanzig. Und der da, das
ist nicht der Doc. Ist er nicht. Ist er nicht. Nein-nein-nein. Von
Brääääächtow!“ Und immer so weiter.
Der
Doktor trat auf Berthold zu. „Er deluriert“, erklärte
er. „Wir dürfen uns nicht mehr viel Zeit lassen. Das ist
meist das Endstadium, bei diesem Blutverlust.“
„ Meinen
Sie?“, fragte Remo. „Also, er hat draußen ein paar
von Heinos geilen Tropfen gekriegt. Das Zeug haut ganz schön
durch. Vielleicht ist er noch gar nicht so abgewichst, wie er
aussieht.“
„ Dennoch
sollten wir keine weitere Zeit verlieren“, sagte der Doktor.
„Ich brauche OP-Besteck, dringend.“ Er wandte sich an
Sören. „Junger Mann, gehen sie doch einmal zur Küche
und holen sie mir alles, was Sie an scharfen Messern finden können.
Je mehr, desto besser. Ich werde Schnitte von unterschiedlicher
Stärke anbringen müssen, um das moratible Gewebe zu
entfernen.“
„ Nix
da!“ Der winzige Hoffnungsschimmer, der in Sören
aufgekeimt war, verpuffte wieder, als Ewald sich dazwischen
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