Menschliche Kommunikation
eine rein auf
die Gegenwart und die direkte Beobachtbarkeit des Spiels bezogene Auslegung des Begriffs.
Als das Vokabular der Experimentalpsychologie schließlich
auf zwischenmenschliche Kontexte ausgedehnt wurde, blieb die
Sprache der Psychologie dennoch eine rein monadische. Begriffe wie Einstellung, Abhängigkeit, Extraversion, Introversion und viele andere wurden zum Gegenstand ausgedehnter Untersuchungen. Die allen diesen Begriffen anhaftende Gefahr ist, dass
sie, wenn sie nur lange genug gedacht und wiederholt werden,
eine Scheinwirklichkeit annehmen, sodass schließlich «Einstellung» z. B. von einem bloßen Begriff unversehens zu einer messbaren Dimension der Seele wird, die in dieser monadischen Sicht
selbst ein isoliertes Einzelphänomen ist. Wo diese Reifikation einmal stattgefunden hat, besteht meist keine Einsicht mehr dafür,
dass die Bezeichnung ja nur eine sprachliche Abkürzung für eine
ganz bestimmte menschliche Beziehungsstruktur darstellt.
Jedes Kind lernt in der Schule, dass Bewegung etwas Relatives ist und nur in Relation auf einen Bezugspunkt wahrgenommen werden kann. Was man dagegen leicht übersieht, ist, dass
dasselbe Prinzip für alle Wahrnehmungen gilt und daher letzthin
unser Erleben der äußeren Wirklichkeit bestimmt. Auf dem
Gebiet der Hirn- und der Wahrnehmungsforschung liegen
schlüssige Beweise vor, dass nur Beziehungen und Beziehungsstrukturen wahrgenommen werden können. Wird z. B. durch
eine komplizierte Vorrichtung die Bewegung der Augäpfel
unmöglich gemacht, sodass dasselbe Bild längere Zeit vom selben
Teil der Netzhaut empfangen wird, so ist eine klare visuelle
Wahrnehmung nicht mehr möglich. In ähnlicher Weise kann
bekanntlich ein anhaltender gleich bleibender Ton schließlich
subjektiv unhörbar werden. Und wenn man die Beschaffenheit
einer Oberfläche erforschen will, berührt man sie nicht einfach
mit dem Finger, sondern bewegt den Finger auf ihr hin und her.
Hielte man den Finger still, so wäre es schwierig, Rückschlüsse
auf die Beschaffenheit der Fläche zu ziehen, von Temperaturwahrnehmungen abgesehen, die aber ihrerseits wieder ihre Ursache in dem Temperaturunterschied zwischen Oberfläche und
Finger (also einer Relation) hätten. Die Reihe dieser Beispiele
ließe sich beliebig fortsetzen, und alle würden darauf hinauslaufen, dass jede Wahrnehmung auf Bewegung, Abtasten oder
Scanning beruht. Mit anderen Worten, eine Beziehung wird hergestellt, dann über einen möglichst weiten Bereich geprüft, und von dieser Prüfung wird dann eine Abstraktion gewonnen, die
unserer Ansicht nach dem mathematischen Begriff der Funktion
analog ist. Nicht «Dinge», sondern Funktionen machen demnach
das Wesen unserer Wahrnehmungen aus; und Funktionen sind,
wie wir gesehen haben, nicht isolierte Größenbegriffe, sondern
«Zeichen für einen Zusammenhang ... für eine Unendlichkeit
möglicher Lagen von gleichem Charakter ...». Wenn dem aber
so ist, dann sollte es uns nicht länger überraschen, dass auch die
Selbsterfahrung des Menschen im Wesentlichen auf der Erfahrung von Funktionen beruht, von Beziehungen, in die er einbezogen ist, mag er diese Beziehungen rein subjektiv auch noch so
sehr ihres Funktionscharakters entkleiden und verabsolutieren
oder verdinglichen (also reifizieren).
1.3 Information und Rückkopplung
Freud hat mit vielen Reifikationen der traditionellen Psychologie
gebrochen, als er seine psychodynamische Theorie des menschlichen Verhaltens postulierte. Während seine Verdienste hier keiner
Betonung bedürfen, soll doch auf einen Aspekt seiner Lehre verwiesen werden, der von besonderer Bedeutung für unser Thema ist.
Die Psychoanalyse wurzelt im wissenschaftlichen Weltbild
ihrer Gründungszeit. Sie postuliert, dass Verhalten weitgehend
durch ein hypothetisches Zusammenspiel intrapsychischer Kräfte
bedingt ist; diese Kräfte folgen denselben Gesetzen der Erhaltung und Umwandlung von Energie wie in der Physik, und dort
hatte, um einen Ausspruch Norbert Wieners über diese Epoche
zu wiederholen, «der Materialismus seine eigene Grammatik in
Ordnung gebracht, und diese Grammatik wurde vom Energiebegriff beherrscht» [161, S. 199]. In diesem Sinn blieb die
klassische Psychoanalyse primär eine Theorie intrapsychischer
Energetik. Selbst dort, wo ein Zusammenspiel mit den Gegebenheiten der Außenwelt augenfällig war, wurde diese Wechselwirkung als sekundär betrachtet, wie dies z. B. der Begriff des
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