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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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wirkliche Armut gekannt hatte – es für möglich gehalten, daß man mit so lächerlich geringen Summen auch nur das bescheidenste Theater halten könnte. Es ging – vorläufig ging es noch, obwohl zu den ökonomischen Schwierigkeiten auch noch politische kamen; denn die deutsche Gesandtschaft in Prag intrigierte bei den Behörden gegen den emigrierten Hamburger Theaterdirektor, dessen pazifistische Verstiegenheiten ihr lästig waren. Kroge und Schmitz wehrten sich, waren standhaft, gaben nicht nach. Dabei fielen beide vom Fleische und alterten. Schmitz sah gar nicht mehr rosig aus, und Kroge bekam immer stärkere Falten auf der sorgenvollen Stirn und um den Katermund. –
    In vielen Städten und in vielen Ländern …
    Juliette Martens, genannt Prinzessin Tebab, die Königstochter vom Kongo, hatte in einem kleinen Kabarett am Montmartre Stellung gefunden: zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens durfte sie den Amerikanern – die in Paris immer seltener wurden, seitdem der Dollar gesunken war –, ein paar angeheiterten Herrn aus der französischen Provinz und einigen Zuhältern ihren schönen Körper und ihre kunstvollen Steps zeigen. Sie trat beinahe nackt auf, angetan nur mit einem kleinen Büstenhalter aus grünen Glasperlen, einem knappen dreieckigen Badehöschen aus grünem Atlas und mit sehr viel grünen Straußenfedern am Hinterteil. Auf diese Federnpracht anspielend behauptete sie, daß sie ein Vögelchen sei. Sie wiederholte es mehrfach: Ich bin ein Vögelchen und über den Ozean herbeigeflogen, um mir hier, am Montmartre, ein Nest zu bauen. In Wahrheit hatte sie kaum Ähnlichkeit mit einem Vögelchen. Ihr trauriges Zimmer in der Rue des Martyres erinnerte auch keineswegs an ein Nest. Es war finster und hatte den Blick auf einen engen, schmutzigen Hof. Der einzige Schmuck an den kahlen, fleckigen Wänden war eine Photographie des Schauspielers Hendrik Höfgen: Juliette hatte sie einst, während eines Zornes- und Schmerzensanfalls, zerrissen, aber dann hatte sie die Fetzen sorgfältig wieder aneinander geklebt – Hendriks Mund saß nun ein wenig schief und gab seinem Gesicht einen hämischen Ausdruck; quer über seine Stirn lief ein Streifen von Leim wie eine Narbe; aber sonst war seine Schönheit ziemlich tadellos wiederhergestellt.
    An jedem Monatsersten holte sich Juliette beim Portier eines Hauses, dessen Inhaber sie nicht kannte, die kleine Geldsumme ab, welche Hendrik ihr zukommen ließ. Die Gage vom Montmartre-Kabarett und die Unterstützung aus Berlin machten zusammen gerade soviel aus, daß Juliette leben konnte, ohne auf den Strich gehen zu müssen. Sie sah wenig Menschen, einen Geliebten hatte sie nicht. Über ihre Berliner Abenteuer sprach sie mit niemandem: teils aus Angst, ihr Leben oder doch mindestens die kleine Monatsrente zu verlieren; teils um Hendrik keine Unannehmlichkeiten zu bereiten. Denn ihr Herz hing an ihm.
    Sie hatte nichts vergessen und nichts verziehen. Täglich mindestens einmal erinnerte sie sich mit Haß und Grauen der halbdunklen Zelle, in der sie so viel gelitten hatte. Sie dachte an Rache, aber es sollte eine Rache von großer und süßer Art sein, keine schäbige und mesquine. Lange Stunden des langen Tages ruhte Prinzessin Tebab auf ihrem schmutzigen Bett und träumte. Sie würde nach Afrika zurückkehren, alle Schwarzen um sich sammeln, die Königin und kriegerische Fürstin aller Schwarzen werden – um ihr Volk zum großen Aufstand, zum großen Krieg gegen Europa zu führen. Der weiße Erdteil war reif zum Untergang: seitdem Juliette die Beamten der Berliner Geheimen Staatspolizei bei sich empfangen hatte, wußte sie es ganz sicher und ganz genau. Der weiße Erdteil mußte zugrunde gehen, mit ihren dunklen Brüdern wollte Prinzessin Tebab den Siegeszug antreten durch die Hauptstädte Europas. Ein Blutbad ohnegleichen sollte die Schande wegwaschen, mit welcher der weiße Erdteil sich bedeckt hatte. Die frechen Herren mußten Sklaven werden. Als ihren Lieblingssklaven sah die träumende Königstochter Hendrik zu ihren Füßen. Ach, wie würde sie ihn quälen! Ach, wie würde sie ihn verhöhnen! Die kahle Stirne wollte sie ihm mit Blumen bekränzen, aber den Kranz hatte er kniend zu tragen. Gedemütigt und geschmückt, als das kostbarste Beutestück, sollte der Niederträchtige, der Geliebte, in ihrem Gefolge schreiten.
    So träumte die Schwarze Venus, und ihre kraftvollen, rauhen Finger spielten mit der roten Peitsche aus geflochtenem Leder.
    Einmal, als sie ihre

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