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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Blut hat? flüsterte man im Parkett. Aber nein, sagten andere – dann würde doch Höfgen sich nicht öffentlich mit ihr zeigen! –
    Am nächsten Morgen hatte Hendrik die kuriose Idee, Frau Konsul Mönkeberg einen Besuch abzustatten. Auch sie sollte ihn in seinem Glanz sehen – gerade sie, die ihn jahrelang gedemütigt hatte durch ihr vornehm patrizisches Wesen. Barbara, die Geheimratstochter, war gleich von ihr zum Tee in den ersten Stock geladen worden. Ihn aber hatte man nur fein und spöttisch angelächelt. Jetzt wollte er im Mercedeswagen bei der alten Dame vorfahren. Zu seiner Enttäuschung mußte er in der Villa von einem fremden Hausmeister erfahren, daß Frau Konsul Mönkeberg gestorben war. Das sah ihr ähnlich! Einer Begegnung, die peinlich für sie gewesen wäre, entzog sie sich durch die Flucht. Diese Bürger vornehmen alten Stils – diese Patrizier ohne Geld, aber mit nobler Vergangenheit und mit zarten, vergeistigten Gesichtern –: blieben sie denn unerreichbar, waren sie nie zu treffen? Sollte es dem mephistophelisch gewordenen Kleinbürger, der mit der blutigen Macht paktierte, niemals vergönnt sein, seine Triumphe über sie zu genießen?
    Hendrik ärgerte sich. Ein Coup war ihm mißglückt, von dem er sich viel Spaß versprochen hatte. Im übrigen war er recht zufrieden mit seiner Hamburger Visite. Herr von Totenbach hatte zum Abschied gesagt: »Ich und meine ganze Spielgemeinschaft – wir sind stolz darauf, daß Sie bei uns gewesen sind, Kamerad Höfgen!« – und die Motz hatte ihm ihre kleine Walpurga gereicht, mit der dringlichen Bitte, er müsse das schreiende Geschöpf segnen. »Segne sie, Hendrik!« forderte die Motz. »Dann wird etwas Rechtes aus ihr werden! Segne meine Walpurga!« Und auch Petersen war dafür. –
    Als Hendrik von seinem Ausflug zurückkam, berichtete ihm Lotte Lindenthal, daß um seine Person in den höchsten Kreisen heftige Debatten im Gang seien. Der Ministerpräsident – ›mein Bräutigam‹, sagte Lotte jetzt schon von ihm – war unzufrieden mit Cäsar von Muck: das wußte jeder. Noch nicht so allgemein bekannt war, wen der Fliegergeneral als Nachfolger für den Intendanten der Preußischen Staatstheater ausersehen hatte: es war Hendrik Höfgen. Hiergegen sträubte sich der Propagandaminister und mit ihm alle jene hohen Würdenträger der Partei, die von ›radikaler Gesinnung‹, ›hundertprozentige Nationalsozialisten‹ und jedem Kompromiß, besonders in kulturellen Dingen, unerbittlich abgeneigt waren.
    »Es geht nicht an, auf einen derart prominenten, repräsentativen Posten einen Mann zu setzen, der nicht zur Partei gehört und die ärgste kulturbolschewistische Vergangenheit hat«, erklärte der Propagandaminister.
    »Es ist mir gleichgültig, ob ein Künstler Parteimitglied ist oder nicht. Die Hauptsache ist, daß er etwas kann«, erwiderte der Ministerpräsident, der sich, in seiner großen Macht und Herrlichkeit, oft erschreckend liberale Launen gönnte. »Unter Höfgen werden die Preußischen Staatstheater Kasse machen. Die Intendanz des Herrn von Muck ist ein zu großer Luxus für die Steuerzahler.«
    Wenn es um die Karriere seines Protégés und Lieblings ging, dachte der General sogar an die Steuerzahler, was sonst selten geschah.
    Der Propagandaminister wandte ein, Cäsar von Muck sei ein Freund des Führers, ein altbewährter Mitkämpfer: es sei unmöglich, ihn einfach vor die Türe zu setzen. Der Fliegergeneral schlug munter vor, man solle den Autor des ›Tannenberg‹-Dramas zum Präsidenten der Dichterakademie machen – ›dort stört er niemanden‹ – und ihn zunächst auf eine schöne Reise schicken.
    Der Propagandaminister verlangte telephonisch vom Führer, der zur Erholung in den bayrischen Bergen weilte, er müsse ein Machtwort sprechen und es verhindern, daß man einen zwar talentierten und routinierten, moralisch aber denkbar schlecht qualifizierten Komödianten wie Höfgen zum ersten Theatermann des Reiches erhebe. – Der Ministerpräsident hatte schon zwei Tage vorher einen Boten in die bayrischen Alpen geschickt. Der Führer, der Entscheidungen gerne auswich, ließ antworten: Ihn interessiere der Fall nicht, er habe größere und bedeutungsvollere Dinge im Kopf, die Herren Kameraden möchten das gefälligst unter sich ausmachen.
    Die Götter zankten sich. Aus der ganzen Angelegenheit war eine Macht- und Prestigefrage zwischen dem Propagandaminister und dem Ministerpräsidenten, zwischen dem Hinkenden und dem Dicken

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