Mephisto
beeinflußt. Es geschah, daß die Studenten lärmten, als er das Katheder betrat. Seine Weltgeltung und seine ruhige, überlegene Haltung schüchterten die Aufgeregten ein. Der Geheimrat ging siegreich hervor aus den Skandalen. Er blieb unantastbar.
»Der Alte ist wundervoll«, sagte Nicoletta von ihm. »Er versteht auch etwas von Menschen; an Papa zum Beispiel hatte er eine große Anhänglichkeit. Deshalb ließ er sich von mir immer alles gefallen – und ich meinerseits hatte Geduld mit seiner feinen Langweiligkeit.«
Nicolettas beste Freundin, ihre eigentliche Schwester, war Barbara, Bruckners Tochter.
»Ein so schönes Geschöpf! Und so gut!« Nicolettas Blick wurde weicher, während sie dies sagte; aber auf die klirrend exakte Aussprache konnte sie nicht verzichten.
Zu der ›Knorke‹-Premiere wurde nicht nur Theophil Marder erwartet, sondern auch das Mädchen Barbara. »Ich bin neugierig, ob du sie mögen wirst«, sagte Nicoletta zu Hendrik. »Vielleicht liegt sie dir nicht besonders. Aber sei bitte nett zu ihr, mir zu Gefallen. – Sie ist etwas scheu«, stellte Nicoletta fest und schmetterte die Vokale. –
Am Tag der großen Premiere traf Barbara Bruckner ein; Marder kam erst gegen Abend, mit dem Berliner Schnellzug. Höfgen machte Barbaras Bekanntschaft, als er, unmittelbar vor Beginn der Vorstellung, einen Cognac in der Kantine trank. Nicoletta sprach mit musterhafter Deutlichkeit und greller Stimme: »Dieses ist meine liebste Freundin, Barbara Bruckner!« – wozu sie eine zeremonielle Geste unter dem schwarzen, steif plissierten Cape vollführte. Hendrik war zu aufgeregt, um sich das junge Mädchen genauer zu betrachten. Er stürzte seinen Cognac hinunter und verschwand. In der Garderobe fand er zwei große Blumensträuße: weißen Flieder von Angelika Siebert, und von der Herzfeld zart teegelb getönte Rosen. Um sich durch ein gutes Werk die Gunst des Himmels zu sichern, überreichte Höfgen dem kleinen Böck – der vor Premieren stets etwas weinerlich aussah – mit großer Geste fünf Mark, wodurch freilich die Sieben-Mark-fünfzig-Schuld noch immer nicht völlig getilgt war.
Die Uraufführung der Komödie ›Knorke‹ verlief glänzend: Marders beißende Pointen schlugen knallend ein, die steile Führung des Dialogs kitzelte das Publikum zu halb entsetzten, halb beglückten Gelächtern, vor allem aber begeisterte das exakte, schnoddrig-pathetische, in jeder Hinsicht blendende Zusammenspiel zwischen Höfgen und der neuen Kraft, Nicoletta von Niebuhr, die ›auf Engagement gastierte‹. Nach dem zweiten Akt mußten die beiden Hauptdarsteller sich dem animierten Saal häufig zeigen. In der Pause erschien Theophil Marder bei Höfgen, Nicoletta geleitete ihn.
Marders unruhiger, aber durchdringender Blick musterte alle Gegenstände in der Garderobe, zuletzt Hendrik selbst, der erschöpft vorm Spiegel saß. Nicoletta war, respektvoll schweigend, an der Türe stehengeblieben. Nach langer Pause sagte Marder mit einer penetranten Kommandostimme: »Sie sind ja 'ne dolle Type!« Seine grausam fixierenden Augen wichen nicht von Hendriks schön geschminktem Gesicht.
»Sind Sie zufrieden, Herr Marder?« Höfgen suchte den Satiriker durch Juwelenblicke und angegriffenes Lächeln zu bezaubern. Theophil aber sagte: »Naja …« und fügte unverschämt hinzu: »Naja, Herr – wie war doch der Name?« Nun war Hendrik doch etwas beleidigt; trotzdem nannte er seinen Namen mit der singend-werbenden Stimme. Daraufhin machte Marder: »Hendrik – Hendrik – ulkiger Name, muß ich schon sagen – sehr ulkig!« – so höhnisch, daß es Höfgen eisig über den Rücken lief. Plötzlich aber rief der Dichter mit einer beängstigenden Fröhlichkeit: »Hendrik! Wieso Hendrik? Natürlich heißen Sie eigentlich Heinz! – Heißt eigentlich Heinz, nennt sich Hendrik! Hahaha, das ist aber mal gut!« Er lachte gellend, herzlich und ausführlich. Höfgen, aus Entsetzen über so viel böse Hellsicht, war bleich geworden unter seiner rosigen Maske und zitterte. Nicoletta, ohne einzugreifen, schaute mit blanken Katzenaugen amüsiert vom einen zum andern. Theophil war schon wieder ernst. Er schien nachzudenken; dabei bewegte er ununterbrochen den bläulichen Mund unter dem schwarzen Schnurrbart. Das erregte Spiel seiner Lippen erinnerte auf eine unheimliche Art an das gierige Saugen fleischfressender Pflanzen oder schnappender Fischmäuler. Abschließend sagte Marder: »Sind aber 'ne dolle Type. Starkes Talent – rieche das,
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