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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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habe verdammt feine Nase. Sprechen uns noch. Essen nachher zusammen. Komm, Kind!« Er nahm Nicolettas Arm und verließ die Garderobe. Höfgen blieb im Zustand völliger Konsterniertheit zurück.
    Er gewann seine Fassung erst wieder, als er auf der Bühne und im Rampenlicht stand – dort freilich völlig. Im dritten Akt übertraf er alles, was er an bravourösem Elan bis dahin jemals öffentlich gezeigt hatte. Das Auditorium raste, nachdem der Vorhang gefallen war. Nicoletta, die Arme voll Blumen, fiel Höfgen um den Hals und sagte: »Theophil hat wieder mal das rechte Wort gefunden! Du bist wirklich eine tolle Type!« Kroge trat hinzu, um Anerkennendes zu murmeln. Er versicherte Fräulein von Niebuhr, daß es ihm ein Vergnügen sein werde, weiter mit ihr zu arbeiten; sie möchte sich morgen vormittag ins Bureau bemühen, damit man die Bedingungen bespreche. Nicoletta machte sofort ihr hinterhältig korrektes Gesicht, verneigte sich feierlich und gab in scharfen Worten ihrer Befriedigung über diesen Entschluß des Direktors Ausdruck.
    Theophil Marder hatte die beiden jungen Damen und den Schauspieler Höfgen in ein sehr teures, mehr bürgerlich solides als mondänes Lokal eingeladen. Hendrik war hier noch niemals gewesen, was Marder Anlaß gab, schneidend festzustellen, dies sei die einzige »Bude« in Hamburg, wo Genießbares auf den Tisch komme – solide Kost, guter alter Stil, wenn man dem Dramatiker glauben durfte –; überall sonst gebe es ranziges Fett und stinkenden Braten, hier aber verkehrten feine alte Herren, die noch zu leben wüßten; auch sei der Weinkeller gepflegt.
    Wirklich saßen in der braungetäfelten Stube, an deren Wänden Jagdbilder und schöne Teppiche hingen, nur bejahrte Väter, die nach Millionenvermögen aussahen. Noch würdevoller freilich als sie alle wirkte der Oberkellner: in dem Respekt, mit dem er Theophils Bestellungen entgegennahm, ließ sich ein klein wenig Ironie vermuten. Marder schlug vor, man möge mit Langusten beginnen. »Was meinen Sie, bester Heinrich?« erkundigte er sich bei Höfgen mit jener hinterhältigen Korrektheit, die Nicoletta bei ihm gelernt haben mochte. Hendrik hatte nichts einzuwenden. Übrigens fühlte er sich etwas unsicher und befangen in dem herrschaftlichen Lokal. Ihm wollte es scheinen, als habe der Oberkellner mit Geringschätzung seinen Smoking gemustert, der fleckig war und an einigen Stellen speckig glänzte. Unter dem taxierenden Blick des feinen Kellners ward Hendrik sich, flüchtig aber mit Heftigkeit, seiner umstürzlerischen Gesinnung bewußt. Ich gehöre nicht in dieses Lokal für kapitalistische Ausbeuter, dachte er zornig, während er sich Weißwein eingießen ließ. Nun bereute er es, die Eröffnung des Revolutionären Theaters immer wieder hinausgeschoben zu haben. Von Marder aber war er enttäuscht. Dieser unbarmherzige, hellsichtige und gefährliche Kritiker der bourgeoisen Gesellschaft zeigte sich, da man ihm nun von Mensch zu Mensch gegenübersaß, als ein Herr mit bedenklich reaktionären Neigungen. Er hatte eine schnarrende Kommandostimme, einen tückischen Blick, trug einen viel zu tadellos gearbeiteten dunklen Anzug mit sorgfältig gewählter Krawatte, und von den Langusten, die nun serviert wurden, suchte er mit einer fatalen Kennerschaft die schönsten aus. Hatte er nicht mit jenen Figuren, die er in seinen Stücken verhöhnte, viele Eigenschaften gemeinsam? Nun lobte er die gute alte Zeit, in der er jung gewesen, und mit der die neue, oberflächliche, verkommene in keinem Punkte sich messen könne. Dabei hielt er fortwährend die kalten, unruhigen und gierigen Augen auf Nicoletta gerichtet, die ihrerseits nicht nur den Mund schlängelte, sondern auch den Körper in einem metallisch glitzernden Abendkleid. Barbara saß still dabei. Hendrik, degoutiert durch Nicolettas provokant betonten Flirt mit Marder, vielleicht auch nur eifersüchtig, wandte seine Aufmerksamkeit endlich Barbara zu. Da bemerkte er: ihr Blick war forschend auf ihn gerichtet gewesen. Hendrik Höfgen erschrak.
    Mitten in seinem Herzen erschrak er darüber, daß er Barbara Bruckner begnadet fand mit einem Reiz, den er noch an keiner anderen Frau je wahrgenommen hatte. Ihm waren schon vielerlei Frauen begegnet, aber noch keine wie diese. Während er diese anschaute, erinnerte er sich, in geschwinder, aber genauer Zusammenfassung – so, als gälte es, einen Schlußstrich zu ziehen unter eine lange und beschmutzte Vergangenheit – aller jener weiblichen

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