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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Frage: er schrie schon, wenn er mit den Zehen das kalte Wasser berührte, und nur durch langes Zureden und viel Spott brachte Barbara ihn dazu, einige Schwimmbewegungen zu versuchen. Ängstlich darauf bedacht, im seichten Wasser zu bleiben, das Gesicht in sorgenvolle Falten gelegt, mühte sich Hendrik im gefährlichen Element. Barbara beobachtete ihn belustigt. Plötzlich rief sie ihm zu: »Du siehst deiner Mutter geradezu lächerlich ähnlich – beim Schwimmen noch mehr als sonst. Mein Gott, du hast ja genau ihr Gesicht!« – worüber Hendrik derartig kichern mußte, daß er nicht mehr fähig war, mit den Armen zu rudern, viel Wasser schluckte und fast ertrunken wäre.
    Um so glanzvoller bewährte er sich abends, beim Tanzen. Alle Hotelgäste und sogar die Kellner waren entzückt, wenn er Nicoletta oder Barbara im Tangoschritt führte. Mit solcher Anmut und so viel Grandezza wußte keiner von den anderen Herren sich zu bewegen. Es war eine richtige Vorstellung, die Hendrik gab; alle klatschten, da er geendigt hatte. Er verneigte sich lächelnd, als stände er auf der Bühne. – Wenn er Publikum sein sollte, Mensch unter anderen, fühlte er sich befangen und oft verstört; seine Sicherheit kehrte wieder und ward zur Siegesgewißheit, sowie er sich distanzieren, in ein grelleres Licht treten und dort schimmern durfte. Wahrhaft geborgen fand er sich nur auf einem erhöhten Platz, gegenüber einer Menge, die nur existierte, um ihm zu huldigen, ihn zu bewundern, ihm Beifall zu spenden.
    Eines Tages stellte sich heraus, daß an eben dem See, dessen Schönheiten Nicoletta so eifrig empfohlen hatte, Theophil Marder ein Sommerhaus besaß; Barbara wurde sehr schweigsam und bekam schwarze Augen vor Nachdenklichkeit, als sie es erfuhr. Zunächst weigerte sie sich, den Satiriker zu besuchen; schließlich aber ließ sie sich von Nicoletta zu der Exkursion überreden. Man fuhr auf dem weißen, goldverzierten Dampfer, den man nun schon so oft vom Landungssteg aus beobachtet hatte, quer über den See. Das Wetter war schön; ein leichter und frischer Wind bewegte das Wasser, das so blau war wie der leuchtende Himmel. Je munterer Nicoletta wurde, desto stiller zeigte sich Barbara, ihre Freundin.
    Theophil Marder erwartete seine Gäste am Ufer. Er trug einen großkarierten Sportanzug mit weiten, faltigen Knickerbocker und dazu einen weißen Tropenhelm, was wunderlich wirkte. Beim Sprechen nahm er eine kurze englische Pfeife nicht aus dem Mund. Als Nicoletta ihn fragte, seit wann er Pfeife rauchte, sagte er und lächelte geistesabwesend: »Der neue Mensch hat neue Angewohnheiten. Ich verwandle mich. Ich erschrecke jeden Morgen über mich selbst. Denn wenn ich aufwache, bin ich nicht mehr derselbe, als der ich am Abend eingeschlafen bin. Mein Geist hat über Nacht gewaltig zugenommen an Größe und Stärke. Immer kommen mir nun im Schlaf die ungeheuerlichsten Erkenntnisse. Deshalb schlafe ich auch so viel: mindestens vierzehn Stunden jeden Tag.« Diesem Bericht – der kaum geeignet war, die Beunruhigung, welche der Tropenhelm erweckte, zu beseitigen – folgte ein herzlich meckerndes Lachen. Dann benahm Theophil sich wieder gesittet. Gegenüber Hendrik und Nicoletta befleißigte er sich der gewähltesten Liebenswürdigkeit, während er Barbara zu übersehen schien.
    Nach dem Essen, das man in einem mit naturfarbenem Holz getäfelten, großen, hellen und eleganten Speisezimmer eingenommen hatte, legte Theophil seinen Arm um Höfgens Schultern und führte ihn abseits. »Na, unter uns Männern«, sagte der Dramatiker, schaute flackernd und bewegte unter dem Schnurrbart schmatzend die bläulichen Lippen. »Sind Sie zufrieden mit Ihrem Experiment?« – »Mit welchem Experiment?« Wollte Hendrik wissen. Daraufhin lachte Theophil schallend und bewegte dann noch heftiger den gierigen Mund. »Nun – was denn wohl? Ihre Heirat meine ich natürlich!« flüsterte er rauh. »Sie sind ja 'ne dolle Type, sich auf so was einzulassen! Mit dieser Geheimratstochter wird man nicht leicht fertig. Ich habe es doch versucht!« gestand er und bekam böse Augen. »An der werden Sie nicht viel Spaß erleben, mein Lieber. Eine lahme Ente – glauben Sie mir, dem kompetentesten Fachmann des Jahrhunderts: eine lahme Ente ist sie.«
    Hendrik war so bestürzt über diese Redewendung, daß er das Monokel aus dem Auge fallen ließ. Marder inzwischen stieß ihn lustig vor den Bauch. »Nichts für ungut!« rief er, plötzlich glänzend gelaunt. »Vielleicht schaffen

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