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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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erhobenen Hauptes jedem, der es hören wollte, zu versichern.
    Übrigens war nicht zu leugnen, daß Nicoletta um diese Zeit blendend in Form war. Alles an ihr schien gespannt; alles blitzte, verführte, knisterte wie geladen mit Elektrizität. Siegesgewisser denn je trug sie das kühne Jünglingshaupt mit der gewölbten Stirne, der großen, gebogenen Nase und den grellen Lippen, zwischen denen die Zähne funkelten. Die meisten männlichen Mitglieder des Künstlertheater-Ensembles waren nun schon ungeheuer verliebt in sie; die Motz hatte schelten und schluchzen müssen, weil Petersen wieder einmal unbeherrscht und draufgängerisch gewesen war: er hatte es sich nicht nehmen lassen, Nicoletta zu einem schrecklich teuren Abendessen ins Hotel ›Atlantic‹ einzuladen. – Anlaß zur bittersten Verstimmung erhielt auch die Mohrenwitz, die sich daran gewöhnt hatte, dem schönen Bonetti als Ersatz für die spröde kleine Angelika zu dienen, und die ihre dämonischen Reize ausgestochen sehen mußte durch den schärferen, echteren und stärkeren Charme dieser Nicoletta. Was nützte es der strebsamen Rahel, daß sie sich die Lippen schwärzlich-violett schminkte, von ihren Augenbrauen überhaupt nichts mehr stehenließ, und lange Virginiazigaretten rauchte, obwohl ihr von ihnen übel wurde? Nicoletta ließ die Katzenaugen strahlen und zwang mittels hypnotischer Kräfte allen die Meinung auf, daß sie herrliche Beine habe – ähnlich jenen suggestiven indischen Märchenerzählerinnen, die ihr verzaubertes Publikum dahin bringen, dort, wo nur blaue Luft ist, Palmen wachsen und Affen springen zu sehen.
    Obwohl Oskar H. Kroge Fräulein von Niebuhr im Grunde nicht leiden konnte, hatte er ihr – auf dringenden Rat seines Freundes Schmitz, der behauptete, daß die Leute ›so etwas‹ sehen wollten – die Hauptrolle in der ersten Herbstnovität anvertraut: Nicoletta spielte in einem französischen Reißer die tragische Demimondaine, die am Schluß des dritten Aktes von einem ihrer Geliebten auf offener Szene ermordet wird. Den jungen Mörder hatte Bonetti darzustellen, dessen vor lauter Blasiertheit und Eitelkeit angewidertes, sehr hochmütiges Mienenspiel vorzüglich zu dieser Rolle paßte; der Zuhälter, der das Aussehen eines großen Herrn hat, im Grunde aber ein gemeiner Geselle ist, war Höfgen; während Frau von Herzfeld, die das Stück übersetzt und bearbeitet hatte, die Regie führte. »Sie werden in diesem Machwerk einen noch größeren Erfolg haben als in ›Knorke‹«, prophezeite sie Nicoletta, der gegenüber sie ein mütterliches Interesse an den Tag legte, seitdem ihre Eifersucht, Hendrik betreffend, sich auf eine andere Person hatte konzentrieren müssen. – »Dieser Ansicht bin ich in der Tat auch«, versetzte scharf und kühl Nicoletta. »Eine Leistung, wie ich sie morgen abend hinlegen werde, dürfte man in Hamburg kaum je gesehen haben.« –
    »Unberufen, toi, toi toi – aber mir scheint, wir werden das Stück mindestens dreißigmal hintereinander geben können«, schmunzelte Schmitz, wobei er mehrfach abergläubisch auf Holz klopfte. Der Vorhang war gefallen, der Beifall tobte durchs Haus. Die Niebuhr wurde immer wieder gerufen : ihre Todesszene hätten die Leute am liebsten gleich wiederholen lassen. Wirklich waren Nicolettas Schreie und Gesten im höchsten Grade erschütternd gewesen, als Rolf Bonetti den Revolver gegen sie hob. Der Schuß kracht, die tragische Kurtisane stürzt, verrenkt die Glieder, heult auf, hält sterbend eine ausführliche Rede, in welcher sie dem eifersüchtigen Liebhaber im besonderen und den Männern im allgemeinen die bittersten und wirkungsvollsten Vorwürfe macht; betet, heult noch einmal; stirbt.
    Die Kritiken am nächsten Tage waren ein Chorus der Begeisterung. Alle Zeitungen schienen sich darin einig, daß Nicolettas Leistung von ungewöhnlichem Rang sei. ›Nicoletta von Niebuhr am Beginn einer großen Laufbahn‹, stand als Überschrift auf der ersten Seite der Mittagzeitung, die am meisten gelesen wurde. In diesem Sinne wurde auch an die Berliner Blätter depeschiert. Vor der Kasse des Künstlertheaters standen die Menschen schon am Vormittag Schlange, was seit Jahren nicht mehr vorgekommen war. Die nächsten fünf Vorstellungen des effektvollen Dirnendramas waren ausverkauft.
    Nicoletta aber hatte am Mittag nach der Premiere von Theophil Marder folgendes Telegramm bekommen:
    ›Verlange von Dir, daß sofort zu mir kommst stop verbiete daß Dich länger als

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