Mephisto
bedeuten.
Sowohl Petersen als auch Rolf Bonetti nannten Hendriks junge Gattin einen ›feinen Kerl‹; Vater Hansemann hatte ein brummiges Wohlwollen für sie, weil sie ihre Konsumationen pünktlich bezahlte; Bühnenportier Knurr begrüßte sie militärisch, da er wußte, daß sie die Tochter eines Geheimrats war; die Direktoren Schmitz und Kroge unterhielten sich gerne mit ihr. Schmitz begnügte sich zunächst mit onkelhaft-koketten Scherzen, bekam aber bald heraus, daß er bei ihr ein sachliches und kluges Interesse für die finanziellen Sorgen des Theaters finden konnte, und zog sie nun in lange Gespräche über dieses immer aktuelle, immer besorgniserregende Thema. Oskar H. Kroge seinerseits entdeckte ihr seinen Kummer über das fragwürdige Repertoire des Künstlertheaters. Der alte Vorkämpfer einer geistigen Bühne mußte es gramvoll mitansehen, daß in seinem Hause Schwänke und Operetten das ernste Stück zu verdrängen begannen. An so bedauerlicher Entwicklung hatte die Schuld nicht nur Schmitz, welcher die Stücke nach der ›Kasse‹ beurteilen mußte, die sie voraussichtlich machen würden; für diese Senkung des literarischen Niveaus verantwortlich war auch Höfgen – so paradox es erschien. Er sprach vom Revolutionären Theater – und inszenierte alberne Konversationsstücke. Das Revolutionäre Theater – welches nicht eröffnet wurde – mußte als Begründung herhalten für die Annahme der Reißer. Kroge, trotz seinen prinzipiellen Bedenken gegen den Kommunismus, war nun schon soweit, sich die Eröffnung des geplanten Studios, welches nicht nur revolutionären, sondern auch literarischen Geist in sein Theater bringen sollte, dringlich zu wünschen. Hendrik aber behauptete mit schöner Beredsamkeit, es sei absolut notwendig, daß er sich durch die leichteren und gefälligen Darbietungen beim Publikum und bei der Presse zum Liebling mache, ehe er sich mit dem Revolutionären Theater hervorwagen könne. Vielleicht glaubte Otto Ulrichs – ebenso geduldig wie enthusiastisch – diesen Argumenten seines guten Freundes. Skeptischer und nervöser war Barbara.
Sie unterhielt sich gerne mit Ulrichs; die Unbedingtheit und Einfachheit seiner Gesinnung imponierten ihr. Sie selbst blieb zu Zweifeln geneigt; übrigens pflegte sie zu erklären, daß sie von Politik nichts verstehe – was ihr von Hendrik höhnisch bestätigt wurde. »Du hast keine Ahnung von dem wirklichen Ernst dieser Dinge«, sagte er ihr und machte sein tyrannisches Gouvernantengesicht. »An alles gehst du spielerisch und mit kühler Neugier heran. Der revolutionäre Glaube ist für dich ein interessantes psychologisches Phänomen. Für uns aber ist er heiligster Lebensinhalt.« So sprach Hendrik. Otto Ulrichs, der die Hälfte seiner Zeit und seines Einkommens der politischen Arbeit opferte, schien viel weniger streng. Sein Ton Barbara gegenüber war etwas väterlich belehrend, aber voll Sympathie. »Sie werden den Weg zu uns finden, Barbara – das weiß ich«, sagte er, freundlich und zuversichtlich. »Sie wissen ja heute schon, daß bei uns die Wahrheit ist und die Zukunft. Sie haben nur noch ein bißchen Angst, es zuzugeben und alle Konsequenzen zu ziehen.«
»Vielleicht habe ich wirklich nur ein bißchen Angst«, lächelte Barbara.
Indessen konnte sie sich nicht genug wundern über die geduldige Gutmütigkeit, mit der Ulrichs in der Angelegenheit Revolutionäres Theater sich von Höfgen hinhalten ließ. Sie ihrerseits drängte – wozu sie übrigens auch noch ihren privaten, egoistischen kleinen Grund hatte: denn sie wollte die Dekorationen für die erste Inszenierung des revolutionären Zyklus entwerfen. »Meine Angelegenheit ist es ja nicht«, sagte sie beinah täglich zu Hendrik, »und nicht ich bin es, für die der Glaube an die Weltrevolution den Lebensinhalt bedeutet. Aber ich schäme mich für dich, Hendrik. Wenn du nicht bald ernst machst in dieser Sache, wirst du lächerlich.« Daraufhin bekam Hendrik eine fahle, zugeriegelte Miene. Nun schielten seine Augen nicht vor Koketterie, sondern vor Ärger. Er antwortete mit ungeheurem Hochmut: »Das sind dilettantische Redensarten. Deine Ahnungslosigkeit in den Fragen revolutionärer Taktik ist komplett.«
Seine revolutionäre Taktik bestand darin, daß er täglich neue Ausflüchte ersann, um mit den Proben für das Revolutionäre Theater nicht beginnen zu müssen. Damit aber doch irgendeine Tat im Interesse der Weltrevolution geschähe, entschloß er sich plötzlich dazu, einen
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