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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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zuviel – er sieht ja fürchterlich überanstrengt aus. – Sie fragte ihn, ob er noch ein Schinkenbrot wolle; er nickte flüchtig, aber dann schwärmte er weiter: »Es kommt der Tag! Unsere Bewegung muß siegen!«
    Ähnliche Worte einer begeisterten Zuversicht hatte Barbara erst kürzlich von einem anderen gehört: von Otto Ulrichs. Diesem zu widersprechen, hatte sie nicht gewagt – ihr Verstand wie ihr Gefühl waren ja beinah ganz überzeugt von seinem vernunftvoll-glühenden Glauben; zu Hans Miklas hingegen sagte sie: »Wenn Deutschland wirklich einmal so werden sollte, wie Sie und Ihre Freunde es sich wünschen – dann will ich lieber nichts mehr mit ihm zu tun haben. Dann reise ich ab«, erklärte Barbara und lächelte Miklas, nachdenklich aber nicht unfreundlich, zu. Der jedoch strahlte: »Das glaube ich wohl! Es werden verschiedene Herrschaften abreisen – das heißt: wenn wir sie noch abreisen lassen und sie nicht vorher einstecken! Dann sind wir dran! Dann werden endlich wieder die Deutschen in Deutschland etwas zu sagen haben!«
    Wie ein begeisterter Sechzehnjähriger sah er jetzt aus, mit dem verwirrten Haar und den leuchtenden Augen – Barbara konnte nicht leugnen, daß er ihr gefiel, wenngleich jedes Wort, das er sagte, ihr fremd und abstoßend war. Mit einer Beredsamkeit, die sich häufig verwirrte, aber stets eindringlich blieb, erklärte er ihr, daß der Glaube, für den er kämpfte, ein im tiefsten revolutionärer Glaube sei. »Wenn der Tag erst da ist, und unser Führer die ganze Macht übernimmt – dann ist Schluß mit Kapitalismus und Bonzenwirtschaft, die Zinsknechtschaft wird gebrochen, die Großbanken und die Börsen, die unsere Volkswirtschaft aussaugen, können zumachen, und niemand wird ihnen nachweinen!«
    Barbara wollte wissen, warum Miklas nicht mit den Kommunisten gehe, wenn er doch, wie sie, gegen den Kapitalismus sei. Miklas erklärte – eifrig wie ein Kind, das eine auswendig gelernte Lektion hersagt –: »Weil die Kommunisten kein Vaterlandsgefühl haben, sondern internationalistisch und von den russischen Juden abhängig sind. Auch von Idealismus wissen sie nichts, alle Marxisten glauben, es kommt nur aufs Geld an im Leben. Wir wollen unsere eigene Revolution – unsere deutsche, unsere idealistische; nicht eine, die dirigiert wird von den Freimaurern und durch die Weisen von Zion!«
    Hier machte Barbara den erhitzten Knaben darauf aufmerksam, daß sein ›Führer‹, der den Kapitalismus abschaffen wollte, sehr viel Geld von der Schwerindustrie und den Großgrundbesitzern bekomme – woraufhin Miklas zornig wurde und solche Verdächtigungen als ›typisch jüdische Hetze‹ scharf zurückwies. – Auf diese Art diskutierten die beiden bis tief in die Nacht hinein: Barbara – ironisch, sanft und neugierig – horchte den Trotzigen aus und suchte ihn zu belehren. Er aber blieb, mit eigensinniger Kinderstirn, bei seinem blutrünstigen Glauben an die Heilslehre von der Rasse, der Brechung der Zinsknechtschaft und der idealistischen Revolution. – Souffleuse Efeu, die aus einer Ecke das ins Gespräch vertiefte Paar eifersüchtig beobachtete, flüsterte dem Portier Knurr zu: »Frau Höfgen ist auf meinen Jungen scharf – das hat mir gerade noch gefehlt. Frau Höfgen will mir meinen Buben wegnehmen …«
    Noch in derselben Nacht bekam Hans Miklas Krach mit seiner Efeu; Barbara indessen hatte mit Hendrik eine schlimme Szene. Höfgen tobte: nicht aus ›kleinbürgerlicher Gatteneifersucht‹ – wie er betonte –; vielmehr aus politischen Gründen. »Man sitzt nicht mit einem Lumpen von Nationalsozialisten den ganzen Abend an einem Tisch!« rief er, bebend vor Zorn. Barbara versetzte, daß, ihrer Ansicht nach, der junge Miklas kein Lump sei – woraufhin Hendrik schneidend versetzte: »Alle Nazis sind Lumpen. Man beschmutzt sich, wenn man sich abgibt mit einem von ihnen. Ich bedauere, daß dir hierfür das Verständnis fehlt. Die liberalistischen Traditionen deines Hauses haben dich verdorben. Du hast keine Gesinnung, sondern nur eine verspielte Neugierde.« Er stand sehr aufrecht mitten im Zimmer; seine streng dozierenden Worte begleitete er mit ruckhaften, eckigen Bewegungen der Arme.
    Barbara sagte leise: »Ich gebe es zu – der Junge tut mir ein bißchen leid, und er interessiert mich ein bißchen. Er ist krank und ehrgeizig, und er hat nicht genug zu essen. Ihr behandelt ihn schlecht – du, deine Freundin Herzfeld und die anderen. Er sucht etwas, woran er sich klammern

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