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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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    Schon in der zweiten Woche nach seiner Rückkehr hatte Hendrik die Schwarze Venus wiedergetroffen. Sie hatte ihm aufgelauert, als er abends ins Theater ging. Mit welchem Schauer der Wollust und des Entsetzens war er zusammengefahren, als aus dem Dunkel eines Torbogens ihre heisere und vertraute Stimme ihn anrief: »Heinz!« Dieser Name, dessen er sich schämte und den er abgelegt hatte: ausgesprochen von der dumpfen Stimme der Negerin, tat er ihm wohl, wie eine grausame Liebkosung. Trotzdem hatte er sich dazu gezwungen, die Schwarze anzufahren: »Was erlaubst du dir! Du lauerst mir auf!« Da hatte sie ihm höhnisch abgewinkt mit ihrer schönen, kraftvollen, sehnigen Hand: »Laß nur, mein Süßer! Wenn du nicht artig bist, gehe ich ins Theater und mache Krach.« Es nützte ihm nichts, daß er zischte: »Du willst mich also erpressen!« Sie grinste: »Aber gewiß doch!« – wobei sie Zähne und Augäpfel blitzen ließ. Ihr breites Lachen war von einer Gemeinheit, die ihm fürchterlich und dabei unwiderstehlich schien. Er drängte Juliette in den Hausgang, denn er zitterte davor, es könnte jemand vorbeikommen und ihn in so schlimmer Gesellschaft bemerken. Wirklich sah Prinzessin Tebab arg verkommen aus. Der kleine Filzhut, den sie tief in die Stirn gezogen trug, und das abgetragene, enge Jackett hatten dieselbe grell-grüne Farbe wie die hohen, glänzenden Stiefel. Um den Hals trug sie eine kleine Boa aus schmutzigen, zerzausten weißen Federn. Über diesem traurigen Putz stand breit und dunkel das Gesicht mit den aufgeworfenen, rissigen Lippen und der platten Nase. »Wieviel Geld willst du?« fragte er sie hastig. »Ich bin selber im Augenblick ziemlich knapp …« Sie antwortete, beinahe schelmisch: »Mit Geld ist es nicht getan, mein Zuckeräffchen. Du mußt mich besuchen.« – »Was fällt dir ein?« murmelte er mit bebenden Lippen. »Ich bin verheiratet …« Aber sie unterbrach ihn streng: »Rede kein Blech, mein Schaf. Die Frau Gemahlin kann dir das nicht bieten, was du nun einmal brauchst. Ich habe sie mir doch angeschaut – deine Barbara.« (Woher wußte sie ihren Namen? Der harmlose Umstand, daß sie ihren Namen wußte, erfüllte Hendrik mit besonderem Schrecken.) »Die Person hat ja nichts in den Knochen«, sagte Prinzessin Tebab noch und rollte die wilden Augen. Hendrik, dem der Angstschweiß auf der Stirne stand, wartete darauf, daß die Schwarze seine Barbara, Bruckners Tochter, eine ›lahme Ente‹ nennen würde. Juliette indessen schien nicht geneigt, diese theoretische Konversation fortzusetzen. In einem drohenden Ton, der prompte und exakte Antwort verlangte, fragte sie: »Also – wann kommst du zu mir?«
    In einer Dachkammer, deren graue Kahlheit durch die süßlich grelle Reproduktion einer Raffael-Madonna über dem Bett nicht verschönt, sondern grotesk betont wurde, begannen die makabren Exerzitien wieder, die früher Frau Konsul Mönkebergs bürgerliche Stube als Dekoration gehabt hatten. Hier atmete der junge Ehemann wieder den wildfremd-vertrauten Geruch, der gemischt zu sein schien aus billigstem Parfüm und dem Aroma des Urwalds. Hier gehorchte er wieder der rauhen, bellenden Stimme, dem Händeklatschen, dem rhythmischen Stampfen seiner Meisterin. Hier deklamierte er wieder französische Verse, wenn er stöhnend vor Erschöpfung auf die harte Pritsche gesunken war, die der Königstochter als Bett diente. Nun aber führten diese finsteren Festlichkeiten, die Höfgen sich – wie früher – zweimal in der Woche gönnte, zu einem abscheulichen Höhepunkt, der ihnen früher gefehlt hatte. Wenn alles vorüber war und Fräulein Juliette ihren befriedigten und ermatteten Schüler ruhen ließ, dann begann Hendrik, in dieser Kammer und vor dieser Frau, von seiner Gattin Barbara zu sprechen.
    Was er der diskret-forschenden, eifersüchtig-gespannten Neugierde seiner Freundin Hedda von Herzfeld, was er dem kameradschaftlichen Interesse des Gesinnungsgenossen Otto Ulrichs verschwieg, das gestand er seiner Schwarzen Venus, die ihn ›Heinz‹ nennen durfte: ihr beichtete er, was er um Barbara litt. Ihr, und nur ihr gegenüber zwang er sich zur Aufrichtigkeit. Er verheimlichte nichts, auch nicht die eigene Schande. Da Fräulein Martens von seiner physiologischen Niederlage, seiner ehelichen Blamage erfuhr, lachte sie rauh, lang und herzlich. Hendrik wand sich unter diesem Gelächter, das ihm schwerer zu ertragen schien als die schärfsten Hiebe. Über ihm grinste die schwarze Königstochter:

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