Mephisto
des ›Sommernachtstraum‹, in der Hendrik den Elfenkönig Oberon spielte, und die Vorbereitungen zu einer großen Revue waren wichtiger und erregender als das zugleich komplizierte und müßige Problem, wen er mehr liebe: Barbara oder Juliette. »Unsereiner hat nicht das Recht, sich durch Privatangelegenheiten ablenken zu lassen von der Arbeit«, erklärte er seiner Freundin Hedda. »Schließlich ist man zuerst und vor allem Künstler«, schloß er, und sein Gesicht zeigte einen Ausdruck, der sowohl stolz und siegesgewiß als auch leidend war. –
Barbara, die ihren Tag mit Sport, Lektüre, Zeichnen, Korrespondenz oder in den Hörsälen der Universität verbrachte, erschien manchmal gegen Abend im Theater, um Hendrik von der Probe abzuholen. Zuweilen verbrachte sie auch eine Stunde in den Garderoben oder im H. K. – was übrigens von Hendrik nicht gerne gesehen wurde. Da er argwöhnte, daß seine Frau die Kollegen gegen ihn aufzuhetzen versuche, wollte er keineswegs, daß der Kontakt zwischen ihr und dem Ensemble des Künstlertheaters ein gar zu enger werde. Vergeblich bemühte Barbara sich darum, für eine der vielen Neuinszenierungen, die im Laufe des Winters herauskamen, die Dekorationen entwerfen zu dürfen. Immer wieder versprach Hendrik ihr, er werde sich bei der Direktion dafür einsetzen, daß sie einen Auftrag erhalte; immer wieder kam er mit dem Bescheid zurück, die Direktoren Schmitz und Kroge wären dieser Idee gar nicht abgeneigt, aber alles scheitere am Widerstand der Frau von Herzfeld.
Diese Behauptung war nicht völlig aus der Luft gegriffen. In der Tat wurde Hedda mißgelaunt und ablehnend, wenn von Barbara die Rede war. Leidvolle Eifersucht machte die kluge Frau böse und ungerecht. Sie konnte es dieser Barbara nicht verzeihen, daß Hendrik sie geheiratet hatte. Sicher war Frau von Herzfeld niemals so verwegen gewesen, sich ihrerseits ernste Hoffnungen auf Höfgen zu machen. Sie wußte um den speziellen Geschmack des geliebten Mannes, in das düstere und peinliche Geheimnis seiner Beziehung zur Prinzessin Tebab war sie eingeweiht. Die Rolle, mit der sie sich zufriedengeben mußte – und Jahre zufrieden gegeben hatte –, war die der schwesterlichen Freundin und Vertrauten. Gerade diese Rolle war es, die Barbara ihr nun streitig machte. Für Hedda bedeutete es einen Triumph, daß die Rivalin sie nicht zufriedenstellend auszufüllen schien, ihre höchst beneidenswerte Rolle –: Hendrik sagte dies nicht ausdrücklich, aber der geschärfte Instinkt der Eifersüchtigen erriet es. Frau von Herzfeld wußte, woran es lag: Die Geheimratstochter war zu anspruchsvoll. Man mußte verzichten, sich selber ausschalten können, wollte man auskommen mit Hendrik Höfgen. Denn natürlich dachte ein Mann wie dieser vor allem an sich. Barbara aber verlangte und erwartete etwas von ihm. Sie beanspruchte Glück. Hierüber mußte Frau von Herzfeld höhnisch lachen. Begriff die arrogante Barbara nicht? Das einzige Glück, das Männer wie Hendrik Höfgen gewähren konnten, war das ihrer erregenden Gegenwart, ihrer bezaubernden Nähe …
Ähnliches empfand die kleine Siebert. Aber dieses anmutsvolle und zarte Geschöpf hatte, was Hendrik betraf, noch gründlicher resigniert als die alternde Herzfeld. Die kleine Siebert litt, aber sie haßte nicht. Der Gattin Höfgens, Barbara, begegnete sie mit einem scheuen Respekt. Wenn die Beneidete ein Taschentuch fallen ließ, bückte Angelika sich geschwind, um es aufzuheben. Dann bedankte Barbara sich nicht ohne Erstaunen – während die kleine Siebert rot wurde, hilflos lächelte und die kurzsichtigen Augen ängstlich zusammenkniff.
Wenn Barbaras Beziehung zu Frau von Herzfeld und Angelika, den beiden hoffnungslos Liebenden, kompliziert und belastet war, so gestaltete sich um so herzlicher ihr Verhältnis zu den anderen Damen des Ensembles. Mit der Motz pflegte sie ausführlich über Lebensmittelpreise, Schneiderinnen und die Fehler der Männer im allgemeinen und des Charakterspielers Petersen im besonderen zu plaudern. Barbara verstand es so vortrefflich, den Ergüssen der biederen und temperamentvollen Frau zu lauschen, daß die Motz zur Überzeugung kam – welcher sie gerne und laut Ausdruck verlieh –, die junge Frau Höfgen sei ›eine famose Person‹. Dieser Ansicht schloß die Mohrenwitz sich an: Barbara, die sich nicht einmal schminkte, erhob keinen Anspruch darauf, dämonisch zu sein und konnte also für sie, die verworfene Rahel, niemals eine Konkurrenz
Weitere Kostenlose Bücher