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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Laune des jungen Miklas nur vorübergehend, nicht auf die Dauer verbessern. Schon am nächsten Tage erschien sein Gesicht wieder böse verschlossen, die schwarzen Höhlen unterhalb der Wangenknochen waren wieder da, und sein Husten klang besorgniserregend. Wie er uns alle haßt! dachte Barbara, die ihn beobachtete. Sie war nicht unempfänglich für den finsteren Charme des ungezogenen Buben. Sein Gesicht, mit dem dichten, widerspenstigen Haar über der hellen Stirn, den dunklen Rändern um die trotzigen Augen und den abweisend vorgeschobenen, ungesund leuchtenden Lippen, wirkte auf sie weit anziehender als etwa die vor Eitelkeit ermüdete Miene des schönen Bonetti. An der schmalen und elastischen Figur des jungen Miklas – an diesem trainierten, biegsamen und ehrgeizigen Körper – gab es irgend etwas, was Barbara rührte. Deshalb versuchte sie zuweilen, den jungen Menschen ins Gespräch zu ziehen. Zunächst begegnete er ihr – der Gattin des verhaßten Vorgesetzten – mit verbissenem Mißtrauen. Allmählich gelang es Barbara, ihn freundlicher und vertrauensvoller für sich zu stimmen. Manchmal lud sie ihn zu einem Bier und einem belegten Brot im H. K. ein – Aufmerksamkeiten, die Hans Miklas sehr zu schätzen wußte. Besonders wenn Barbara sich über Hendrik geärgert hatte, machte es ihr Vergnügen, sich mit dem bösen Jungen zu unterhalten. »Wollen wir uns nicht mal wieder einen aufsässigen Abend leisten?« schlug sie ihm dann vor, und er akzeptierte gerne. Für aufsässige Abende war er immer zu haben, und erst recht, wenn ihm auch noch Bier und Fleisch dazu bezahlt wurden.
    Mit einem Interesse, in das sich ein wenig Grauen mischte, lauschte Barbara, wenn Hans Miklas von dem, was er liebte, und von dem, was er haßte, sprach. Niemals noch hatte sie mit einem Menschen am gleichen Tisch gesessen, der sich zu Gesinnungen und Ansichten bekannte, die dieser Knabe mit so viel Fanatismus vertrat. Ihr wurde klar, daß er alles mißachtete oder verabscheute, was ihr selber, ihrem Vater oder ihren Freunden teuer und unentbehrlich war. Was meinte er denn, wenn er den ›verdammten Liberalismus‹ heftig anklagte oder ›gewisse jüdische und verjudete Kreise‹ verhöhnte, die – seiner Überzeugung nach – die deutsche Kultur auf den Hund brachten? – Ja, er meint alles, was ich je geliebt und woran ich geglaubt habe, verstand Barbara. Er meint den Geist und die Freiheit, wenn er Judenpack sagt. Und sie erschrak im tiefsten. Trotzdem reizte es ihre Neugierde, ein Gespräch zu fortzusetzen, das, für ihren Begriff, durchaus phantastischen Charakter hatte. Es kam ihr vor, als wäre sie plötzlich aus der zivilisierten Sphäre, in der sie zu leben gewohnt war, in eine ganz andere, wildfremde und barbarische versetzt worden …
    Wofür begeisterte sich ein so rätselhaftes Geschöpf wie Hans Miklas? Was für Ideen und für Ideale waren es, an denen sein aggressiver Enthusiasmus sich entzündete?
    Er schwärmte von einer ›judenreinen deutschen Kultur‹, und Barbara mußte verwundert den Kopf schütteln. Als ihr sonderbarer Gesprächspartner ihr auseinandersetzte, daß der ›Versailler Schandvertrag zerrissen‹ und die deutsche Nation wieder ›wehrhaft‹ werden müsse, leuchteten seine Augen, und auch von seiner Stirn schien Glanz zu kommen.
    »Unser Führer wird dem Volk die Ehre wiedergeben!« rief er aus. Nun klang seine Stimme heiser; er schüttelte siegesgewiß das Haar. »Wir ertragen nicht länger die Schande dieser Republik, die vom Ausland verachtet wird. Wir wollen unsere Ehre zurückhaben – jeder anständige Deutsche verlangt das, und anständige Deutsche gibt es überall, selbst hier, an diesem bolschewistischen Theater. Sie sollten einmal hören, wie Herr Knurr spricht, wenn er nicht fürchten muß, belauscht zu werden! Er hat drei Söhne im Krieg verloren, aber er sagt, das wäre ja nicht so schlimm, viel schlimmer ist, daß Deutschland seine Ehre verloren hat – und eben die kann uns der Führer – nur der Führer – wieder verschaffen!«
    Barbara aber dachte: Warum erregt er sich so wegen der deutschen Ehre? Was stellt er sich eigentlich vor unter diesem ungenauen Begriff? Ist es für ihn wirklich so enorm wichtig, daß Deutschland wieder Tanks und Unterseeboote bekommt? Er sollte doch erst einmal sehen, seinen schlimmen Husten loszuwerden, in einer netten Rolle Erfolg zu haben und etwas mehr Geld zu verdienen, damit er sich jeden Tag satt essen kann. Sicher ißt er zu wenig und trainiert

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