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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Rolle.«
    Höfgen, der am Schminktisch sitzend ihr den Rücken wendet, lächelt ihr durch den Spiegel zu. »Sie sagen das nicht ohne Bosheit, Dora Martin.«
    Sie erwidert, immer noch mit dem ruhigen, sachlichen Ton: »Sie irren sich, Hendrik. Ich nehme es niemanden übel, daß er ist, wie er ist.«
    Nun wendet Hendrik ihr sein Gesicht zu, von dem er die Teufelsbrauen und die Farbenpracht auf den Lidern entfernt hat. »Danke, daß Sie heute abend gekommen sind«, sagt er weich und läßt die Augen schimmern.
    Aber sie winkt ab, fast verächtlich, als wolle sie sagen: Lassen wir doch nun diese Scherze! – Er scheint ihre Geste zu übersehen und erkundigt sich zärtlich: »Was sind Ihre nächsten Pläne, Dora Martin?«
    »Ich habe Englisch gelernt«, antwortet sie.
    Er macht ein erstauntes Gesicht.
    »Englisch? Wieso das? Warum grade Englisch?«
    »Weil ich in Amerika Theater spielen werde«, sagt Dora Martin, ohne den ruhigen, prüfenden Blick von ihm zu wenden.
    Da er immer noch den Verständnislosen spielt und wissen will: Wieso? und: Warum gerade in Amerika? – spricht sie mit einer gewissen Ungeduld: »Weil hier Schluß ist, mein Lieber. Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?«
    Da ereifert er sich. »Aber was reden Sie, Dora Martin! Für Sie wird sich doch nichts verändern! Ihre Position ist doch unerschütterlich! Sie werden doch geliebt – wirklich geliebt von so vielen Tausenden! Keiner von uns – Sie wissen es doch: Keiner von uns empfängt so viel Liebe wie Sie!«
    Hier wird ihr Lächeln traurig und höhnisch, daß er verstummt. »Die Liebe von vielen Tausenden!« macht sie, beinah tonlos vor Verächtlichkeit. Dann zuckt sie die Achseln. Und, nach einem Schweigen, an Hendrik vorbei, ins Leere: »Man wird andere Lieblinge finden.«
    Er schwatzt aufgeregt weiter. »Aber die Theater machen doch Geschäfte! Das Theater wird die Leute immer interessieren, was sonst auch in Deutschland geschieht.«
    »Was sonst auch in Deutschland geschieht«, wiederholt Dora Martin leise und steht plötzlich auf. »Ja, dann wünsche ich Ihnen also alles Gute, Hendrik«, sagt sie schnell. »Man wird sich lange nicht sehen. Ich reise schon dieser Tage.«
    »Schon dieser Tage?« erkundigt er sich verwirrt; und sie erwidert, den dunklen Blick in die Ferne gerichtet: »Es hat keinen Sinn, noch zu warten. Ich habe hier nichts mehr zu suchen.« Nach einer Pause fügt sie hinzu: »Aber Ihnen wird es schon gut gehen, Hendrik Höfgen – was sonst auch in Deutschland geschieht.«
    Ihr Gesicht unter der rötlichen Fülle des Haares – ein etwas zu großes Gesicht für den schmalen und kleinen Körper – hat Züge von Stolz und Gram, während sie langsam auf die Türe zugeht und Hendrik Höfgens Garderobe verläßt.
     

VII
DER PAKT MIT DEM TEUFEL
     
    Wehe, der Himmel über diesem Lande ist finster geworden. Gott hat sein Antlitz weggewendet von diesem Lande, ein Strom von Blut und Tränen ergießt sich durch die Straßen aller seiner Städte.
    Wehe, dieses Land ist beschmutzt, und niemand weiß, wann es wieder rein werden darf – durch welche Buße und durch welch gewaltigen Beitrag zum Glück der Menschheit wird es sich entsühnen können von so riesiger Schande? Mit dem Blut und den Tränen spritzt der Dreck von allen Straßen aller seiner Städte. Was schön gewesen ist, wurde besudelt, was wahr gewesen ist, wurde niedergeschrien von der Lüge.
    Die dreckige Lüge maßt sich die Macht an in diesem Lande. Sie brüllt in den Versammlungssälen, aus den Mikrophonen, aus den Spalten der Zeitungen, von der Filmleinwand. Sie reißt das Maul auf, und aus ihrem Rachen kommt ein Gestank wie von Eiter und Pestilenz: der vertreibt viele Menschen aus diesem Lande, wenn sie aber gezwungen sind zu bleiben, dann ist das Land ein Gefängnis für sie geworden – ein Kerker, in dem es stinkt.
    Wehe, die Apokalyptischen Reiter sind unterwegs, hier haben sie sich niedergelassen und aufgerichtet ein gräßliches Regiment. Von hier aus wollen sie die Welt erobern: denn dahin geht ihre Absicht. Sie wollen herrschen über die Länder und über die Meere auch. Überall soll ihre Mißgestalt verehrt und angebetet werden. Ihre Häßlichkeit soll bewundert sein als die neue Schönheit. Wo man heute noch über sie lacht, soll man morgen vor ihnen auf dem Bauche liegen. Sie sind entschlossen, die Welt anzufallen mit ihrem Kriege, um sie dann demütigen und verderben zu können – so wie sie heute schon das Land, das sie beherrschen, demütigen und

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