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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Freundin Juliette? Er erwartet von ihr, daß sie immer grausam und guter Dinge sei. Sie bekommt reichlich Geld und darf die Peitsche schwingen: hat sie nicht allen Anlaß zur Zufriedenheit? Niemals denkt Höfgen darüber nach, was die dunklen Blicke meinen könnten, die das schwarze Mädchen jetzt so oft auf ihn richtet. Hat das fremde Kind vielleicht Heimweh nach den Küsten, aus deren schönerer Landschaft ein launisches Schicksal sie in eine fragwürdige Zivilisation verschlug? Beginnt sie vielleicht, in ihrem rätselvollen Herzen den fahlen, leidenssüchtigen Freund zu lieben, oder fängt sie an, ihn zu hassen? Hendrik weiß nichts davon. Für ihn ist Prinzessin Tebab die verführerische Barbarin, die schöne Wilde, an deren ungebrochener Kraft er sich erfrischt, indem er sich vor ihr erniedrigt.
    Er ahnt von Juliette so wenig, wie er von Barbara weiß, oder von seiner Mutter Bella. Nur flüchtig liest er die Briefe der armen Mama, der ihr Gatte Köbes und ihre Tochter Josy – zwei muntere und bedenklich leichtsinnige Geschöpfe – viel Sorgen bereiten. Vater Köbes ist geschäftlich nun total ruiniert. ›Die Krise!‹ jammert brieflich Frau Bella. ›Dein guter Vater gehört zu den zahlreichen Opfern der Krise.‹ All sein Hab und Gut wäre verpfändet worden, und bittere Schande hätte die Familie heimgesucht, wäre nicht Hendrik gewesen, der in allerletzter Stunde eine größere Summe telegraphisch überwiesen hat. Schwester Josy verlobt sich, mindestens einmal jedes halbe Jahr; Frau Bella atmet erleichtert auf, wenn die Verbindungen, die stets irgendwie unglückseligen Charakters sind, wieder gelöst werden.
    Einmal erscheint Nicoletta in Berlin; aber sie reist bald wieder ab, zurückgerufen von einem drohenden und klagenden Telegramm ihres Gatten Marder. »Ich bin sehr sehr glücklich mit ihm«, erklärt Nicoletta und bemüht sich, die schönen Augen funkeln zu lassen wie einst. Aber dann stellt sich heraus, daß Marder seit zwei Jahren in einem Sanatorium lebt: Nicoletta hat ihre Zeit damit verbracht, ihn zu pflegen – sie lächelt sanft und innig, wenn sie von der kindlichen Dankbarkeit spricht, die der geniale Mann für sie hat. »Nun geht es ihm schon viel besser«, sagt sie hoffnungsvoll. »Wir können bald in den Süden ziehen, er braucht Sonne …«
    Das ›Lebenszentrum‹, mit dem Hendrik prahlt: Nicoletta, die Liebende, besitzt es. Auch andere dürfen es ihr eigen nennen; so Ulrichs, der kämpferisch und geduldig auf ›den Tag‹ wartet. ›Er wird kommen!‹ verspricht der Gläubige sich und seinen gläubigen Freunden. – ›Er wird kommen, der Tag!‹ verheißt auch dem jungen Miklas die innere Stimme freudiger Gewißheit. Er meint den schönen Tag, da ›der Führer‹ endlich an der Herrschaft sein wird: seine Feinde aber sind dann alle vernichtet. Vernichtet ist dann vor allem der ärgste und abscheulichste Feind – Höfgen. Der Sturz des Verhaßten, dessen Laufbahn Miklas aus der Ferne mit machtlosem Ingrimm verfolgt, soll das beglückendste Ereignis des ›großen Tages‹ sein und ein Teil seines Sinnes.
    Hans Miklas ist – wie Otto Ulrichs, sein politischer Feind – Schauspieler nur noch im Dienste der ›großen Sache‹, des umfassenden Ziels. Er arbeitet längst nicht mehr an Theatern, sondern nur noch mit den Jugendorganisationen der nationalsozialistischen Bewegung; seine Tätigkeit ist es, für Freilichtbühnen und Versammlungssäle Fest- und Werbe-Spiele mit dem ›Jungvolk‹ seines ›Führers‹ einzustudieren: solche Beschäftigung befriedigt sein unwissendes und enthusiastisches Herz. Im Sprechchor brüllen die Burschen, daß sie siegreich die Franzosen schlagen und ihrem Führer stets die Treue wahren wollen; dies haben sie eingeübt unter der Regie des jungen Miklas, der jetzt viel gesünder und frischer aussieht als in der Hamburger Zeit – die schwarzen Löcher in seinen Wangen sind fast verschwunden.
    Der Tag ist nahe: schwärmerischer Gedanke, der Hans Miklas und Otto Ulrichs beherrscht, ausfüllt, begeistert wie Millionen andere junge Menschen. Auf welchen Tag aber wartet Hendrik Höfgen? Er wartet immer nur auf die neue Rolle. Seine große Rolle in der Saison 1932/1933 wird der Mephisto sein: Hendrik spielt ihn in der neuen ›Faust‹-Inszenierung, die das Staatstheater zu Goethes 100. Todestag herausbringt.
    Mephistopheles, ›des Chaos wunderlicher Sohn‹ große Rolle des Schauspielers Höfgen – für keine andere hat er jemals so viel Eifer aufgebracht.

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