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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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sich zur Heimreise anschickte und selbst der jüdische Komiker mit besorgter Miene seine Koffer packte, behauptete Hendrik, wichtige Besprechungen in Filmangelegenheiten riefen ihn nach Paris. Sein Gedanke war: Ich muß Zeit gewinnen. Es dürfte kaum ratsam sein, sich gerade jetzt in Berlin zu zeigen. In einigen Wochen hat man sich wahrscheinlich beruhigt …
    Hingegen standen die fulminanten Überraschungen erst bevor. Als Höfgen in Paris eintraf, war das erste, was er erfuhr, die Nachricht vom Brande des deutschen Reichstags. Hendrik, durch seine langjährige Tätigkeit als Schurkenspieler geübt im Erraten krimineller Zusammenhänge und nicht ohne natürlichen Instinkt für die niedrigen Kombinationen der Unterwelt, begriff sofort, wer diese provokatorische Untat ersonnen und ausgeführt hatte: die ruchlose und dabei infantile Schlauheit der Nazis hatte sich ja eben an jenen Filmen und Theaterstücken geübt und entzündet, in denen Hendrik die Hauptrollen zu spielen pflegte. Höfgen konnte sich nicht verbergen, daß sich in den Schauer, den er über den rohen Trick dieser Brandstiftung empfand, ein anderes Gefühl mischte, welches Behagen und beinahe Wollust war. Die verderbte Phantasie von Abenteurern entschloß sich zu dem frechen, leicht durchschaubaren Betrug, der nur deshalb Erfolg haben konnte, weil in Deutschland selber niemand mehr wagen durfte, die Stimme gegen ihn zu erheben, und weil die übrige Welt, auf ihre eigene Ruhe mehr bedacht als auf die Sittlichkeit europäischen Lebens, nicht geneigt schien, sich in die unheimlichen Affären dieses verdächtigen Reiches zu mischen. Wie stark das Böse ist! dachte der Schauspieler Höfgen unter ehrfürchtigen Schauern. Was es sich alles leisten und ungestraft herausnehmen darf! – Es geht in der Welt wirklich zu wie in den Filmen und Stücken, deren Held ich so häufig gewesen bin. Dies war für den Augenblick das kühnste, was er zu denken wagte. Aber ahnungsweise und ohne es sich noch eingestehen zu wollen, empfand er zum ersten Male einen geheimnisvollen Zusammenhang zwischen dem eigenen Wesen und jener anrüchigen, verderbten Sphäre, in der vulgäre Schurkenstreiche wie diese Brandstiftung ersonnen und ausgeführt wurden.
    Zunächst freilich war Hendrik kaum geneigt, über die Psychologie der deutschen Missetäter und über das, was ihn etwa mit diesen Unterwelt-Typen verbinden mochte, lange nachzugrübeln; er hatte Anlaß, sich über die nächste Zukunft ernste Sorgen zu machen. Nach dem Reichstagsbrand waren in Berlin mehrere Personen verhaftet worden, mit denen er auf vertrautem Fuße gestanden hatte, darunter auch Otto Ulrichs. Rose Bernhard hatte ihren Posten an den Kurfürstendamm-Bühnen verlassen und war überstürzt nach Wien abgereist. Von dort aus beschwor sie brieflich ihren Freund Höfgen, er solle unter keinen Umständen deutschen Boden betreten. ›Dein Leben wäre gefährdet!‹ So alarmierend schrieb Rose aus dem Hotel Bristol in Wien.
    Hendrik meinte, dies dürfte er für romantische Übertreibung halten. Trotzdem war er beunruhigt. Von Tag zu Tag verschob er seine Abreise. Unbeschäftigt und nervös schlenderte er durch die Pariser Straßen. Er kannte die Stadt nicht, war aber keineswegs in der Stimmung, sich an ihrem Zauber jetzt zu erfreuen oder ihn auch nur zu bemerken.
    Das waren bittere Wochen, die bittersten vielleicht, die er jemals durchgemacht hatte. Er sah keinen Menschen. Zwar wußte er, daß einige seiner Bekannten in Paris eingetroffen waren, aber er wagte es nicht, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen. Was gab es zu sprechen zwischen ihm und jenen? Sie würden ihn enervieren mit pathetischen Ausbrüchen des Entsetzens über die deutschen Geschehnisse – die in der Tat immer toller, immer grauenerregender wurden. Gewiß hatten diese Leute schon alle Brücken abgebrochen zu einer Heimat, deren Tyrannen sie so unversöhnlich haßten. Sie waren schon Emigranten. Bin ich auch einer? – mußte Hendrik Höfgen sich angstvoll fragen. Aber alles in ihm wehrte sich dagegen, dies zuzugeben.
    Andererseits begann in den vielen einsamen Stunden, die er in seinem Hotelzimmer, auf den Brücken, Straßen, in den Cafés der Stadt Paris verbrachte, ein dunkler Trotz in ihm zu wachsen – ein guter Trotz, das beste Gefühl, das er jemals aufgebracht hatte. – Habe ich es nötig, das Mordgesindel um Verzeihung anzubetteln? – dachte er dann. Bin ich denn auf sie angewiesen? Hat mein Name nicht schon internationalen Klang? Ich könnte

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