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Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Heeger
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seiner Biblio t hek, die mit alten Mahagonimöbeln ausgestattet war und mit den wertvollen Büchern einen Ort der Ruhe und des Rückzuges geboten hatte. Nachdenken, Ergründen und Begreifen hatten diesen Ort bestimmt; sie hatte ihn stets mit einer gewissen Ehrfurcht und Befangenheit betreten.
    Sie sah ihren Vater vor sich, als sei es gestern gewesen, kummervoll hatte er sie angeblickt, als sie auf einen kurzen Besuch nach Hause gekommen war. Sie hatte gewusst, was er sah: ein abgehetztes verunsichertes Wesen ohne Heimat, nicht in der eigenen Person und nicht in der Welt. Sie hatte seinen Blick erwidert und war stumm geblieben. Er hatte den Kopf geschüttelt, als wolle er sie so nicht sehen. »Weißt du, die Frauen mussten schon immer den Körper mit der Seele verbinden. Deshalb lieben wir Männer sie und dafür respektieren wir sie.«
    Er hatte das Foto ihrer Mutter in die Hand genommen. In einem silbernen Rahmen stand es immer an der gleichen Stelle auf seinem Sekretär. Liebevoll hatte er darübergestrichen. »Wir brauchen sie, verstehst du, Susanna? Die Frau kann in ihrem Wesen vereinen, was uns getrennt erscheint.« Er hatte sich ihr zugewandt. »Ihr gebt das auf. Warum? Ihr lauft einer oberflächlichen Freiheit nach, die der unseren gleicht, und werdet ebenso heima t los und entwurzelt. Ihr gebt eure Seele auf.«
    Sie wusste, dass sie die Gebote ihrer Zeit aufgesogen hatte, doch ihr Vater sprach von Wichtigerem, Bedeutenderem als vom Zeitgeist, einer Bewegung oder einem politischen Programm.
    »Für euch gibt es die Einheit zwischen Körper und Seele, für uns Männer nicht unbedingt und nicht immer.« Er hatte die Hand gehoben, um ihren Einspruch abzuwehren. »Wisst ihr wirklich, was ihr da tut? Was ihr euch antut?«
    Sie hatte ihren Blick zu Boden gesenkt. Sie wusste, dass er ihre Zweifel aussprach, ihr Aber in Worte fasste, doch sie hatte schon zu viel geopfert, um zustimmen zu können. Er fuhr fort: »Das, was nicht austauschbar ist, nicht käuflich ist und euch mit allen Frauen verbindet, schätzt ihr nicht mehr.«
    So verzweifelt hatte er gewirkt, wie er dagestanden hatte. Ein alter Herr, der fühlte, wie die Welt einen Teil ihrer Seele verlor.
    »Ich weiß nicht mehr, was richtig und was falsch ist«, hatte sie wahrheitsgemäß geantwortet, und Tränen hatten ihre Augen gefüllt.
    »Un sac, Madame?«, unterbrach die Frau an der Kasse ihre Erinnerung. Susanna nickte. Die Erinnerung verschwand. Ihre Einkäufe wurden in eine rote Papiertüte mit goldenem Aufdruck gepackt.
    Das Haustürschloss knackte und kündigte Sörens Rückkehr aus der Klinik an. Lilly war sofort auf den Beinen und sprang ihm munter bellend entgegen. Allein für diesen Empfang braucht man einen Hund. Sören genoss ihn – mit der Einschränkung, dass die Liebesbekundung, die Lilly durch intensives Beschlabbern seines Handrückens ausdrückte, ihm nicht sehr behagte. Auf dem Weg ins Wohnzimmer lockerte er seine Krawatte und musste lachen, als er Lea mit ihrem Besen bei der nächtlichen Reinigungsaktion entdeckte. »Ah, die wahre Hausfrau ist immer im Einsatz!«
    Noch bevor Lea protestieren konnte, gab er ihr einen Kuss. »War ein Scherz! Ich habe vielleicht einen Hunger. Bei der letzten Operation haben wir sämtliche Komplikationen gehabt, die man sich vorstellen kann – für heute habe ich genug.«
    Lea erwiderte den Kuss ihres Ehemanns und stellte fest, dass sie sich augenblicklich nicht mehr so allein fühlte wie noch Minuten zuvor mit ihren störrischen Gedanken. »Ich habe einen Auflauf im Backofen, zieh dich um, und dann können wir zusammen essen.«
    Kurze Zeit später saßen sie am Tisch. Sören verspeiste mit großem Appetit seine Portion Kartoffelauflauf mit Schinken und Zucchini, dazu gab es einen rheinhessischen Silvaner. Nachdem der erste Hunger gestillt war, lehnte sich Sören erstmals entspannt zurück und betrachtete den goldfarbenen Wein im Glas.
    »Was gab es denn bei dir heute Neues?«
    »Ach, mein Spezialfall, diese Patientin. Ich grübele ständig herum. Ich bin ziemlich sicher, dass ich etwas Wesentliches übersehen habe; das ärgert mich und macht mich unruhig.«
    »Über wen kam die Patientin eigentlich zu dir?«
    Lea überlegte einen Moment. Patientin von Cleo H. geschickt. Lea sah die Eintragung vor sich.»Das ist es! Genau das hat mir gefehlt!« Lea gab Sören einen lauten Kuss auf die Wange.
    »Könntest du mit deinen Dankbarkeitsbekundungen vielleicht etwas romantischer fortfahren?«
    Zu seinem Leidwesen

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