Merani und die Schlange unter dem Meer
Reich etwa Geheimnisse, von denen man im Schwarzen Land nichts wusste? Einmal misstrauisch geworden, überprüfte er auch die kleine Amazone. Das dürre Ding war kein normales menschliches Mädchen, sondern eine junge, wenn auch sehr einseitig ausgebildete Adeptin.
»Das soll eine mächtige violette Hexe sein! Kein Wunder, dass wir bei solchen Verbündeten den Krieg nicht gewinnen konnten«, erklärte Ewalluk gerade in höhnischem Tonfall.
Auch einige andere Magier spotteten über Sirrin und ihr Gefolge. »Diese Kinderamazone ist ja lächerlich und der Adept erst! Dem hätten sie den Namen Feuerkopf geben sollen. Allerdings nicht wegen seiner Fähigkeiten, sondern wegen seiner Haare! Bei Giringar, deren Violett geht ja fast schon in Rot über.«
Tharon drehte sich zu dem Sprecher um und fragte sich, wo dieser bei dem Jungen einen violetten Schimmer in den Haaren entdeckt haben wollte. Er selbst hatte nur tiefes, von innen heraus leuchtendes Rot gesehen, obwohl Rot seit jenen Zeiten, in denen der uralte rote Gott von seinen Dämonensöhnen getötet worden war, keine magische Farbe mehr war.
Auch Regandhors Ohren forderten die Magier zu bissigen Kommentaren heraus. »Der Bursche sieht direkt wie ein violettes Spitzohr aus. So etwas sollte man schon bei der Geburt erschlagen!«
»Wahrscheinlich ist der Kerl das Ergebnis eines Experiments. Na ja, was wir von Leuten mit Spitzohrblut in den Adern zu halten haben, wissen wir ja.« Bei diesen Worten sah der Sprecher vielsagend zu Tharon hinüber.
Dieser wunderte sich nicht, dass ihn nun etliche hasserfüllte Blicke trafen, und nahm sie mit einem Achselzucken hin. Er war es gewohnt, dass man sich das Maul über ihn und seine Abstammung zerriss. Gleichzeitig war er froh, die Magier vom Heiligen Schwert auch einmal außerhalb der üblichen zeremoniellen Begegnungen erleben zu können. Caludis’ Einladung hätte ihn beinahe dazu verführt, sich dessen Orden anzuschließen, aber nun bezweifelte er, dass er in dieser Gruppierung glücklich geworden wäre.
Er sah sich noch einmal Sirrin und deren Begleiter an und begriff, dass diese nicht so jung waren, wie es den Anschein hatte. Die Angehörigen magischer Völker brauchten länger als normale Menschen, um erwachsen zu werden. Sie sahen deshalb länger jung aus. Wenn er den Maßstab der Eirundämonen zugrunde legte, war Sirrin etwas über tausend Jahre alt. Der Junge mochte vierhundert Jahre zählen und die kleine Amazone ein paar Jahrzehnte mehr. Das war Zeit genug, aus Heranwachsenden harte Kämpfer zu machen.
Seine Begleiter hingegen schienen vergessen zu haben, dass ihnen in ihren Türmen Magierschüler gleichen Alters zur Hand gingen. Tharon fragte sich, ob es nur ihr Hochmut war, der sieblind machte, oder ob mehr dahintersteckte. Doch wenn dies so sein sollte, war es ein Geheimnis, das er jetzt nicht zu ergründen vermochte.
10
Sirrin hatte sich umgezogen und trug nun ein langes, violettes Kleid mit dunkelblauen Stickereien. An jedem Finger ihrer schmalen Hände steckte ein Ring mit einem violetten Edelstein, außerdem trug sie eine Kette mit den gleichen Steinen um den Hals.
Für Tharon stellte jeder Edelstein ein kleines Artefakt dar, dessen Wirkung er ohne eine gründliche Untersuchung nicht erkennen konnte. Auch das Schwert der kleinen Kriegerin trug einen Edelstein von der Größe einer Kinderfaust im Knauf. Das war keine für Menschen gemachte Klinge, sondern eine Artefaktwaffe, die niemand in die Hände dieses jungen Mädchens gelegt hätte, wenn es nicht damit umzugehen wüsste.
»Wie heißt du?«, fragte er die Kleine, da Sirrin deren Namen noch nicht genannt hatte.
Die Amazone blickte ihn an, und zum ersten Mal bemerkte er das violette Leuchten in ihren Augen, das sie sonst verbarg, indem sie den Kopf senkte.
»Ich bin Tirah, Prinzessin von Mar.«
»Wenn du dem Volk der Mar entstammst, bist du aber arg aus der Art geschlagen«, antwortete Tharon.
»Das war nicht besonders höflich«, wies Sirrin ihn zurecht.
»Aber es entspricht der Wahrheit.« Tharon hatte keine Lust, lange um den heißen Brei herumzureden. »Ebenso wie diese angebliche Mar besitzt auch dein eigenartiger Schüler Fähigkeiten, die sich mir derzeit noch verschließen.«
Sirrin begann zu lachen. »Sei froh, dass du bereits so viel über sie weißt. Wir hätten dich auch ganz im Unklaren lassen können. Hör zu, mein Freund. Wie die Lin’Velura bereits sagte, hätte sie keinen anderen Schwarzlandmagier an Land gelassen oder
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