Merani und die Schlange unter dem Meer
und sandte dem Gast eine lautlose Botschaft. »Ich fühle deine Nähe, Mera, und bin froh, dass du gekommen bist!«
»Ich hätte euch lieber in schöneren Zeiten besucht. Jetzt treibt mich die Not, denn Girdhan und ich können die magischen Stürme nicht länger beherrschen.«
»Das dachte ich mir schon! Daher habe ich alle Runi zusammengerufen, um euch zu unterstützen. Gegen einen schwarzen Zaubersturm sind wir allerdings machtlos.«
»Girdhan und ich werden zusehen, was wir tun können. Aber es hilft uns bereits, wenn ihr die weißmagischen Stürme und die der euch zugewandten Farben ablenkt. Dann wird sich auch die Kraft des Feuerthrons wieder erholen. Wir mussten ihn in letzter Zeit zu oft benutzen, um die Inseln zu schützen.«
Mera war froh, dass die Königin sich ohne Wenn und Aber bereit erklärte, ihnen beizustehen. Allerdings sah sie Menanderah an, dass diese mehr auf dem Herzen hatte.
»Gibt es noch andere Probleme?«
Die Runikönigin rang in einer verzweifelten Geste die Hände. »Seit Kurzem plagen mich Visionen, die mich erschrecken. Ich spüre zwei Gefahren heraufziehen, die uns alle vernichten könnten. Die eine erwächst uns aus der Tiefe der See, und die andere kommt von weither über das Meer.«
»Kannst du mir mehr darüber berichten?«, fragte Mera besorgt. Ihr reichten schon die Schwierigkeiten mit den magischen Stürmen. Noch mehr Probleme konnte sie kaum verkraften.
»Leider nicht viel. Ich habe Schiffe gesehen, die auf unseren Archipel zuhalten. Ein eisernes Monstrum führt sie an, ähnlich wie jenes, mit dem Wassuram vor über tausend Jahren das Inselreich mit Krieg überzogen hat.«
Diese Nachricht war ein Schock. Da ein Jahrtausend alles ruhig geblieben war, hatte Mera ebenso wenig wie jeder andere im Archipel damit gerechnet, dass noch einmal Fremde über das Meer kommen würden. »Bist du dir sicher?«, fragte sie.
Die Runikönigin nickte. »Ja! Es sind schwarze Schiffe, und sie sind genauso wie Wassurams Flotte von einer ekelhaft dichten magischen Wolke umgeben.«
Mera wunderte sich nicht über den Abscheu, den die Runikönigin aussandte. Schwarz war deren Gegenfarbe, und die göttlichen Runi waren weitaus empfindlicher gegenüber magischen Farben als Menschen. Der Lehre der heiligen Farben zufolge müssten die Fremden natürliche Verbündete von Gurrland sein, dochdie Ereignisse der letzten tausend Jahre hatten bewiesen, dass auch die Giringar-Anhänger im Archipel von solchen Besuchern nichts Gutes zu erwarten hatten. Diese hatten die Völker aller Farben gleichermaßen unterjocht. »Wir werden nicht zulassen, dass dies noch einmal geschieht!«
Menanderah atmete auf, als sie diesen Gedanken empfing. »Ich bin froh, dass du zu uns halten willst. Ich habe große Angst vor den Fremden, denn ich spüre ihren Hochmut und ihren Hass.«
»Zum Glück sind wir auf ihr Kommen vorbereitet, und diesmal gehorcht der Feuerthron uns. Sollten sie auch nur eine unserer Inseln angreifen, werden sie es bereuen.« Mera hörte sich entschlossener an, als sie sich fühlte. Was war, wenn der Feuerthron auf einmal nicht mehr ihr und Girdhan gehorchte, sondern diesen Fremden? Sie vertrieb ihre Zweifel sofort wieder. Bis jetzt hatten ihr Gemahl und sie den Thron beherrscht. Die anderen würden sie erst herunterholen müssen, um an ihn zu gelangen.
Mit einem zuversichtlichen Lächeln verabschiedete sie sich von der Runikönigin und einigen alten Freunden, insbesondere von Hekendialondilan und deren Mutter Hekerenandil. Dann strebte sie wieder in die Höhe und schwebte gen Süden. Diesmal umging sie das Gebiet der magischen Stürme im weiten Bogen. Doch sie wurde sich ihrer selbst erst wieder bewusst, als Girdhan ihr eine Tasse heißen Vla in die Hände drückte.
»Ich glaube, den kannst du gebrauchen.«
»Danke!« Mera kühlte das noch etwas zu warme Getränk magisch ab und schlang es anschließend gierig hinunter.
»Hast du mitbekommen, was ich erlebt habe?«, fragte sie, als ihr schlimmster Durst gestillt war.
Girdhan nickte mit grimmiger Miene. »Ja, das habe ich. Wie es aussieht, werden wir uns schon bald nicht mehr nur mit magischen Stürmen herumschlagen müssen, sondern auch mit Fremden, die in einem Schiff aus Eisen kommen, denn die waren bis jetzt keine Freunde von uns.«
Trotz des Ernstes der Lage musste Mera lachen. »Das ist eine starke Untertreibung! Die Leute auf dem einzigen Eisenschiff, das unseren Archipel bisher erreicht hat, wollten alle Inseln unterwerfen und die Bewohner
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