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Merani und die Schlange unter dem Meer

Merani und die Schlange unter dem Meer

Titel: Merani und die Schlange unter dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ausgekleidet und glich einer Kapitänskajüte auf einem der großen Kriegsschiffe. Auf einer Anrichte stand ein großer Kompass, daneben lag ein ausgezogenes Fernrohr, und an einem Kleiderständer hingen ein Admiralshut mit sechs Federn und die dazugehörende Schärpe. Außerdem befandsich an der Wand eine Halterung mit mehreren Säbeln und anderen Waffen, so als müsse der Bewohner dieses Raumes jederzeit in der Lage sein, in den Kampf zu ziehen.
    Es war eine Umgebung, in der ein Seefahrer sich wohlfühlen musste, und Merani rechnete es der Anih hoch an, dass sie bei der Einrichtung des Hauses so viel Rücksicht auf den alten Seebären genommen hatte.
    Kipan und seine Mutter ließen ihren Gästen Zeit, sich umzuschauen. Die drei waren zwar schon vor einigen Jahren zu Besuch gewesen, doch damals hatten sie sich mehr für gebratene Goldgarnelen und Pudding interessiert als für die Einrichtung.
    Merani wusste, was von ihr erwartet wurde, und nickte der Dame des Hauses freundlich zu. »Es ist wunderschön hier! Es fehlt eigentlich nur noch eine Seekarte unseres Archipels.«
    »Oh, die ist vorhanden!« Stolz auf das Lob der Prinzessin schob Anih ein Paneel beiseite. Dahinter kam eine mannshohe Karte zum Vorschein, die an den Ecken bereits ein wenig vergilbt war und auch sonst so aussah, als wäre sie tatsächlich längere Zeit als Seekarte in Gebrauch gewesen. Kipan griff ebenfalls zu und verschob ein anderes Paneel. Da entdeckten die drei dahinter die Skizzen etlicher Inseln, deren Umrisse ihnen unbekannt waren.
    »Die Karten dort links stammen von der ersten Erkundungsfahrt des Großadmirals vor zwölf Jahren. Er ist damals über zweitausend Meilen nach Süden gefahren, ohne mehr als diese paar Inselchen zu entdecken. Ein paar davon müssen früher einmal bewohnt gewesen sein, denn er hat dort Dinge gefunden, die unzweifelhaft von Menschen stammen. Im Obergeschoss hat mein Mann eine kleine Sammlung der Funde seiner Fahrten zusammengetragen. Wenn ihr sie euch nach dem Frühstück ansehen wollt …«
    Unterdessen war Kip zurückgekehrt. Seine Uniform saß nicht ganz so korrekt wie die seines Sohnes und spannte ein wenig um die Taille. Doch die Freude, die Kinder seiner alten Freunde wiederzusehen,strahlte aus seinen Augen und sorgte dafür, dass jedes tadelnde Wort seiner Frau unterblieb.
    »Wo bleibt denn das Essen?«, fragte er, ohne auf eine Antwort zu warten. In dem Augenblick, in dem er sich setzte, erschienen vier Lakaien und trugen auf. Es gab frisch aufgebrühten Vla bester Sorte, einen exzellenten Grießbrei mit Blaubeeren und als Hauptgang knusprig gebratene Goldgarnelen.
    »Die schmecken wirklich exzellent!«, lobte Merani, nachdem sie probiert hatte. »Da kommen die im Palast bei Weitem nicht mit.«
    »Die Küche im Palast ist nun einmal auf den Geschmack ihrer Majestät und ihres Hofstaates ausgerichtet. Wir hier sind Seeleute und begnügen uns mit schlichterer Kost«, erklärte Anih. Ihr Lächeln bewies jedoch, dass sie mit der angeblich schlichteren Kost mehr als zufrieden war.
    Unterdessen hob Kip seine Garnelengabel mit einer aufgespießten Garnele. »Ich suche die Goldgarnelen am Fischmarkt immer selbst aus. Unsere Köchin hat nicht den richtigen Blick dafür – und mein Junge übrigens auch nicht!«
    Kipan grinste unsicher. »Dabei gebe ich mir wirklich Mühe, Herr Großadmiral.«
    »Sag Vater zu mir, wie es sich gehört! Und was die Goldgarnelen angeht: Um sich mit ihnen auszukennen, muss man selbst welche gefangen haben. Du solltest mal ein Jahr lang mit den Fischern hinausfahren. Dabei lernst du mehr über die See, als dir die königliche Marine in hundert Jahren beibringen kann. Süßwassermatrosen haben wir deinesgleichen in unserer Zeit genannt. Na ja, ein bisschen habe ich diesen Saustall aufräumen können.«
    Der Großadmiral hörte sich sehr zufrieden an. Während seine Frau nachsichtig lächelte, rutschte Kipan unruhig auf seinem Stuhl herum. Gern hätte er seinem Vater widersprochen, aber in Meranis Gegenwart wagte er dies nicht. Für ihn war die Ilyndhirische Flotte die beste auf der Welt, und zu hören, wie sie vom eigenen Oberbefehlshaber als Saustall bezeichnet wurde, ärgerte ihn.
    Unterdessen vermisste Merani ihre Zofe. »Wo ist Qulka?«
    »Die sitzt in der Küche und unterhält sich mit der Köchin. Mori will doch wissen, was wir euch Gutes tun können«, antwortete Kip.
    Er musterte das Mädchen und zog dann die Stirn kraus. »Ich sehe dir an, dass dir etwas auf dem Herzen liegt.

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